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PLAYMOBIL v. PLAY-BIG | URHEBERRECHT

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RETROSPEKTIVE

Playmobil aus der Sicht des Patentanwalts: Trotz Geschmackmusterschutz und Urheberrechtsschutz ist das unter der Marke "Playmobil" bekannt gewordene Spielfigurensystem juristisch seinerzeit dem Konkurrenten "Play-Big" unterlegen. Dennoch hat Playmobil den Markt erobert.

Zumindest eine Ursache hierfür dürfte gewesen sein, dass der Playmobil-Konkurrent Play-Big zwar den rechtlich nötigen Abstand zum gefälligen Design der Playmobil-Figuren eingehalten hatte, es ihm aber mit seinem stark abgewandelten Design nicht in gleichem Maße gelang, die Kinderherzen anzusprechen...

Mit diesem Fazit lässt sich in etwa das Lebenswerk des am 03.06.2015 verstorbenen "Playmobil-Inhabers" Horst Brandstätter aus aktueller juristischer Außenansicht zusammenfassen.

Der Verfasser ist selbst nie als Patentanwalt oder Rechtsanwalt in die schon Jahre zurückliegenden Playmobil-Rechtsstreitigkeiten verwickelt gewesen, befasst sich aber wegen seiner Spezialisierung auf die Themen "Design-Around" und "Entwicklung erfolgreicher Umgehungslösungen" immer wieder auch mit den in der Fachliteratur veröffentlichten "Playmobil-Urteilen", die bis heute ein rechtlicher Orientierungsmaßstab sind:

HISTORIE | DIE ENTSTEHUNG DES PLAYMOBIL-SYSTEMS

Ursprünglich fertigte die in Zirndorf bei Nürnberg ansässige Firma Geobra Brandstätter Metallspielzeug, stellte dann aber auf Kunststoffspielzeug um und kam im Zuge der ersten Ölkrise schließlich in den frühen 70-er Jahren auf die Idee mit dem Playmobil-System.

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Presseberichten zufolge schwenkte das Unternehmen schon in den 50-er und 60-er Jahren auf den auf breiter Front neu aufkommenden Werkstoff "Plastik" um. Im Zuge dessen stieg die Firma Brandstätter Ende der fünfziger Jahre zeitweilig zum Marktführer für Hula-Hoop-Reifen auf.

Aus Anlass der Ölkrise Anfang der 70-er Jahre und des just zu dieser Zeit im Bereich der Plastikspielzeuge immer stärker werdenden Konkurrenten "Hong Kong" ließ Brandstätter durch seinen Musterbauer Hans Beck das Spielzeugsystem "Playmobil" entwickeln. Diesem lag die zündende Idee zugrunde, aus vielen nach und nach einzeln zu kaufenden Einzelteilen eine Miniaturwelt entstehen zu lassen, in der die Kinder voll Phantasie das in der Welt der Erwachsenen Erlebte und das ihrer eigenen Traumwelt Entsprungene nachspielen können - was leicht den Wunsch nach immer weiteren Systemkomponenten weckt...

Weniger…

Schon kurz nach der Markteinführung der "Playmobil-Männchen" aus Zirndorf im Jahr 1974 erkannte die im benachbarten Fürth ansässige Big Spielwarenfabrik GmbH & Co KG  das Potential des Playmobil-Systems. Die bis heute durch ihr Bobby-Car bekannte Spielwarenfabrik Big kam bereits 1975 mit einem konkurrierenden Spielsystem auf den Markt. Dessen Kern bildeten die sog. "Play-Big-Männchen", die zunächst unter der Bezeichnung "Play-family" verkauft wurden.

DIE RECHTSLAGE | DER SCHUTZ DER SPIELZEUGFIGUREN

Die Firma Geobra Brandstätter hatte sich von Anfang an umsichtig verhalten und zum Schutz ihrer Playmobil-Figuren beim damals zuständigen Amtsgericht in Fürth zwischen 1972 und 1974 mehrere Geschmacksmuster hinterlegt.

Wie später in anderer Sache vom LG-Nürnberg-Fürth ausdrücklich bestätigt wurde, ging die Firma Brandstätter zugleich zu Recht davon aus, dass sie sich zum Schutz ihrer Playmobil-Figuren auf das Urheberrecht berufen kann, das auch schon den Käthe-Kruse-Puppen, den Hummel-Figuren, dem Rehlein namens "Bambi" und den Schlümpfen zugesprochen worden war - ein Gedanke, der übrigens gerade für Gebrauchskunst und kunsthandwerkliche Designs mehr denn je aktuell ist, nachdem der Bundesgerichtshof mit seiner im Jahr 2013 gefällten Entscheidung BGH I ZR 143/12 - "Geburtstagszug" die bisherigen Hürden für den urheberrechtlichen Schutz von angewandter Kunst deutlich eingeebnet hat.

Vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht in Düsseldorf hatte die auf die Geschmacksmuster, das Urheberrecht und den Tatbestand der sog. "wettbewerbswidrigen Nachahmung" gestützte Klage der Firma Brandstätter gegen die Play-Big-Figuren Erfolg, beim BGH scheiterte sie dann allerdings.

Der BGH war mit seiner Entscheidung  BGH I ZR 130/77 - "Play-family" nicht bereit, Schutz für die Grundidee als solche zu gewähren. Er hob stattdessen auf die designerischen Unterschiede der sich gegenüberstehenden Figuren ab. Er arbeitete heraus, dass

die Playmobil-Figuren letztendlich  den Eindruck eines Kindes vermitteln, das nett wirkt, aber noch unsicher auf den Beinen ist,

während die Play-Big-Figuren den Eindruck eines selbstbewussten, sportlichen, ja agressiven jungen Mannes vermitteln.

Urheberrecht und Geschmacksmusterrecht: Vergleich des Designs der Playmobil-Figur mit zwei Figuren von Play-Big

Aufgrund dieser wesentlichen gestalterischen Unterschiede kam der BGH dann - nach Ansicht des Verfassers völlig zu Recht - zu dem Schluss, dass die Play-Big-Figuren weder eine Geschmacksmusterverletzung noch eine Urheberrechtsverletzung darstellen.

Auch dem Argument, dass eine wettbewerbswidrige Nachahmung vorliege, erteilte der BGH eine Absage.

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Der BGH bestätigte in diesem Zusammenhang, dass ein Wettbewerber grundsätzlich nicht daran gehindert ist, eine günstige Marktlage auch für sich auszunutzen. Das, so führte der BGH für den Fall "Playmobil vs. Play-Big" aus, gelte auch dann, wenn sich die Firma BIG erst in dem Augenblick entschlossen haben sollte, mit ihrem Play-Big-System auf den Markt zu kommen, nachdem der Erfolg des Playmobil-Systems bereits offenkundig geworden war.

Weniger…

Damit hatte Horst Brandstätter - anders als vom Spiegel vor einigen Jahren berichtet - juristisch erst einmal verloren...

DER WIRTSCHAFTLICHE ERFOLG | DESIGN TRIFFT EMOTION

Dennoch konnte sich das Play-Big-System nicht am Markt halten. Seine Produktion und Vermarktung wurde 1979 trotz des zu diesem Zeitpunkt den Weg für das Play-Big-System frei machenden BGH-Urteils "Play-family" eingestellt.

Das verblüfft nur kurz:

Zwar waren die Play-Big-Figuren - rein "spiel-technisch" gesehen - zumindest zeitweilig den Playmobilfiguren durchaus überlegen - die Beine der "Play-Bigs" waren einzeln beweglich, zudem waren ihre Füße in den Sprunggelenken beweglich. Die Play-Big-Figuren boten daher deutlich mehr spielerische "Action" als die "Playmobil-Figuren". Gleiches galt für die zugehörigen Pferde und die naturgetreuen Fahrzeuge, etwa den für technik-affine Jungs faszinierend genau nachgebauten Unimog von Mercedes Benz.

Dennoch scheint es so, als sei den Play-Big-Figuren unter anderem auch genau jener designerische Abstand zum Verhängnis geworden, der sie rechtlich davor bewahrt hat, vom BGH als Plagiat der Playmobilfiguren angesehen zu werden, das verboten werden muss.

Denn das mit einer eigentümlichen Spannung geladene Design der Play-Big-Figuren war für Kinder allem Anschein nach deutlich schwerer zugänglich als das gefällige Design der Playmobil-Figuren, die mit ihrem Kindchen-Schema recht schnell die Herzen fast aller Jungs und Mädchen eroberten - so hat es auch der Verfasser in den 70-er-Jahren selbst und im Freundeskreis erlebt.

Der Spiegel-Journalist Robert Bernat bringt einen der wesentlichen Aspekte in seinem Artikel "Playmobil vs. Play Big" sehr anschaulich auf den Punkt - ohne allerdings den rechtlichen Hintergrund zu beleuchten:

Idiotisch war bei Play-Big vor allem die Befestigung der Hüte gelöst: Hatten die Playmos am Haaransatz einen Ring, auf den die Kopfbedeckung aufgesteckt werden konnte, besaßen Play-Big-Figuren einen Schlitz im Kopf, in dem Hüte Mittels eines Stiftes befestigt wurden. Play-Big-Figuren ohne Hut sahen deswegen immer aus wie Sparschweine - aus meiner Sicht völlig inakzeptabel.


Aus Sicht des Designrechtlers gab es allerdings einen guten Grund dafür, warum die Befestigung der Hüte bei den Play-Big-Figuren weniger "elegant" gelöst war als bei den liebevoll auch "Playmos" genannten Playmobil-Figuren:

Die Übernahme des für die Playmos charakteristischen, zum Aufklipsen der Hüte dienenden Ringes im Haaransatz hätte die Play-Big-Figuren designerisch näher an die Playmobil-Originale herangebracht. Damit hätte sich die Gefahr erhöht, dass der Plagiatsvorwurf dann doch erfolgreich ist...

So gesehen haben am Ende doch noch das Geschmacksmusterrecht und das Urheberrecht gesiegt, wenn auch nur mittelbar...

URHEBERRECHT AN SPIELZEUGFIGUREN | WISSENSWERTES

Ein recht anschauliches Beispiel dafür, dass der urheberrechtliche Schutz von Spielzeugfiguren auch in außergewöhnlich gelagterten Fällen eine Rolle spielen kann, in denen der Laie nicht an das Urheberrecht denkt, zeigt der folgender Fall:

Ein Pfarrer hat Veröffentlichungen zufolge Playmobil-Figuren verwendet, um damit Szenen aus der Bibel darzustellen, diese zu fotografieren und in das Internet zu stellen - etwa die Kreuzigung Jesu.

Der Pfarrer hatte entdeckt, dass man die Playmobil-Figuren mithilfe von Heißluft aus dem Fön gut verformen kann - etwa indem man die Arme zur Seite biegt und dadurch einen "Playmobil-Jesus" herstellt, der mit ausgestreckten Armen am Kreuz hängt, oder indem man die Playmobil-Figuren so ummodelliert und lackiert, dass sie einen Playmobil-Adam und eine Playmobil-Eva nackt im Paradies verkörpern...  

Rein rechtlich gesehen dürfte es sich bei einem solchen "Umarbeiten" der Playmobilfiguren - wenn man, wie das LG Nürnberg-Fürth, deren urheberrechtliche Schutzfähigkeit unterstellt - tatsächlich um eine unfreie Bearbeitung handeln. Die Verbreitung einer solchen unfreien Bearbeitung über das Internet kann auf der Grundlage des Urheberrechts gem. § 23 UrhG untersagt werden. Etwa dann, wenn der Hersteller einen Imageschaden befürchtet.

Wobei letzteres nur das Motiv für ein urheberrechtliches Verbot ist, nicht aber die rechtliche Voraussetzung hierfür.

Zumindest zeitweilig war das bekannte "Piratenschiff"  des Playmobilsystems auch bei der Piratenpartei beliebt. Das Schiff bzw. seine "Matrosen" waren auf Werbefotos der Partei zu sehen. Auch hiergegen scheint die Firma Brandstätter urheberrechtlich vorgegangen zu sein.

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