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GESCHMACKSMUSTERVERLETZUNG UND DESIGNVERLETZUNG

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IM FOKUS

Treffsicher zu beurteilen, ob eine Geschmacksmusterverletzung oder eine Designverletzung bzw. Designrechtsverletzung vorliegt, ist nicht ganz einfach. Dieser Beitrag erläutert anhand von konkreten Beispielen, worauf es bei der Beurteilung, ob eine Designverletzung oder eine Geschmacksmusterverletzung vorliegt, ankommt. Angemerkt sei, dass die Beispielsfälle überwiegend auf Streitfällen beruhen, in denen der Verfasser eine Designverletzung bzw. Geschmacksmusterverletzung verfolgt oder abgewehrt hat, wobei die Fälle auf Wunsch der Mandanten verfremdet wurden.

Der Verfasser ist als Patentanwalt, Rechtsanwalt und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz tätig sowie grenzüberschreitend als European Design Attorney. Er ist seit langem auf Designschutz spezialisiert.

DESIGNSCHUTZ AUCH OHNE VORHERIGE REGISTRIERUNG

Normalerweise stützt sich der Vorwurf einer Designverletzung oder einer Geschmacksmusterverletzung auf ein amtlich eingetragenes Designrecht oder auf ein eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster.  Aus gegebenem Anlass ist jedoch vorab auf folgende Möglichkeiten hinzuweisen, die dem Inhaber eines nachgeahmten Designs helfen können, wenn er bisher noch kein Designrecht oder Geschmacksmuster für das Design angemeldet hat:

Derjenige, der die rechtzeitige Anmeldung eines Designrechts oder Geschmacksmusters versäumt hat, kann sich unter Umständen darauf berufen, Inhaber eines nicht eingetragenen Geschmacksmusters geworden zu sein. Auch hierauf gestützt kann der Vorwurf der Designverletzung bzw. der Geschmacksmusterverletzung erhoben werden.

Wichtig ist, ggf. daran zu denken, dass sich unter Umständen auch dann noch ein das nicht eingetragene Geschmacksmuster übertreffender Schutz des kürzlich neu auf den Markt gebrachten Designs erreichen lässt, wenn man zunächst versäumt hat, das Design vorab amtlich registrieren zu lassen. Das Design- und Geschmacksmusterrecht sieht eine 12-monatige Neuheitsschonfrist vor. Innerhalb dieses Zeitraums kann der Berechtigte sein Design auch dann noch registrieren lassen, wenn das Design schon ungeschützt vermarktet wurde und daher eigentlich nicht mehr neu ist. 

WIE MAN PRÜFT, OB EINE VERLETZUNG VORLIEGT

Eine Abmahnung wegen Geschmacksmusterverletzung bzw. Designverletzung ist nur dann begründet, wenn wirklich eine Verletzung vorliegt. Das ist eine Binsenweisheit, die allerdings oft genug nicht genau genug durchleuchtet wird. Nachfolgend werden die wichtigsten Aspekte angesprochen.

Aus gegebenem Anlass ist vorab darauf hinzuweisen, dass sich derjenige, der die rechtzeitige Anmeldung eines Designrechts oder Geschmacksmusters versäumt hat, unter Umständen darauf berufen kann, Inhaber eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters zu sein. Auch hierauf gestützt kann der Vorwurf der Designverletzung bzw. der Geschmacksmusterverletzung erhoben werden.

Keine Verletzung aus rechtlichen Gründen

Auch wenn das geschützte Design und das Design des angegriffenen Produktes  identisch sind, kann aus rechtlichen Gründen eine Verletzung ausgeschlossen sein.

Auch weit außerhalb des Künstlerischen, im rein technischen  Bereich, erfreuen sich Geschmacksmuster bzw. eingetragene Designs zunehmend steigender Beliebtheit: Es wird versucht, die äußere Gestaltung von Bauelementen zu monopolisieren, die regelmäßig als Ersatzteil benötigt werden. Dadurch möchte man den lukrativen Aftersales-Market kontrollieren.

Diese Taktik hat allerdings Grenzen. Die Geschmacksmuster- bzw. Designgesetze sehen vor, dass  bei einem Bauelement, das bestimmungsgemäß in ein (komplexes) Erzeugnis eingefügt wird, nur die nach dem Einbau noch sichtbar bleibenden Merkmale des Bauelements die Voraussetzungen der Neuheit und Eigenart erfüllen. 

In griffige Worte gefasst hat diese „trockene“ juristische Vorgabe zur Folge, dass in manchen Fällen schon deswegen keine Geschmackmusterverletzung bzw. Designverletzung  vorliegt, weil

  • die nach dem Einbau noch sichtbaren Partien des Bauelements, für das Schutz beansprucht wird, entweder anders aussehen als die entsprechenden Partien des angegriffenen Produkts,
  • oder weil die nach dem Einbau noch sichtbaren Partien des Baulelements, für das Schutz beansprucht wird, nicht anders aussehen als das, was schon vor der Anmeldung des geltend gemachten Geschmacksmusters oder Designrechts längst bekannt und daher "freier Formenschatz" war.

Das macht zugleich sichtbar, dass es gerade im Bereich des Industriedesigns manchmal von Nutzen ist, wenn ein versierter Techniker bei der Abwehr der Abmahnung hilft.

PRAXISBEISPIEL

Sogenannte Schuppenförderbänder sind seit Jahrzehnten bekannt. Jeder kennt sie als Förderband, das sich an der Gepäckausgabe des Flughafens hin und her schlängelt. Das hier unterstellte Designrecht beansprucht Schutz für einen einzelnen Schuppen eines solchen Förderbandes. Der geschützte Schuppen sieht so aus, wie nachfolgend in der linken Figur gezeigt. Demgegenüber sieht der angegriffene Schuppen so aus, wie das die nachfolgend rechts abgebildete Figur zeigt. 

Jede Schuppe besitzt eine Oberseite, auf der das zu transportierende Gut liegt, und einen unterseitigen Führungsabschnitt, mit dem die Schuppe an der umlaufenden Antriebskette befestigt wird. Die einzelnen Schuppen bestehen aus Kunststoff. Sie stellen daher bei Anlagen im industriellen Dreischichtbetrieb Verschleißartikel dar, die regelmäig ausgetauscht werden müssen.

Durch ein Designrecht geschützte Schuppe eines Schuppenföderbandes
 
Angeblich das Designrecht verletzende Schuppe

Bis auf die geschwungenen Linien, die der angegriffene Schuppen an seiner Oberseite zeigt, sind der geschützte und der angegriffene Schuppen identisch. Insbesondere sind die unterseitigen Führungsabschnitte beider Schuppen identisch. Die Führungsabschnitte müssen auch identisch sein, denn sie sollen an den gleichen Schuppenförderer montierbar sein.

Der Inhaber des eingetragenen Designrechts macht geltend, dass die charakteristischen Führungsabschnitte an der Unterseite der sich gegenüberstehenden Schuppen identisch sind und den Gesamteindruck einer einzelnen Schuppe prägen. Daher soll nach seiner Auffassung die geringfügige Abweichung durch die geschwungenen Linien an der Oberseite nicht ins Gewicht fallen. Somit, so der Inhaber des Designrechts weiter, bestehe eine zu große Ähnlichkeit, die dazu führe, dass eine Designverletzung zu bejahren sei.

Die Argumentation des Inhabers des Designrechts ist aus rechtlichen Gründen nicht stichhaltig. Der Führungsabschnitt muss nämlich bei der Beurteilung der Neuheit und Eigentümlichkeit wegen Art. 4 Abs. 2 der Unionsgeschmacksmusterverordnung unberücksichtigt bleiben, da er nach der bestimmungsgemäßen Montage nicht mehr sichtbar ist. Das einzige, was damit noch „zählt“, ist die Ansicht der Schuppen von oben. Insoweit unterscheiden sich die Schuppen aber. Daher liegt hier aus rechtlichen Gründen keine Verletzung vor.

Keine Verletzung im Lichte des Formenschatzes

Ein Geschmacksmuster ist ein Chamäleon. Einverstanden, dieses saloppe Statement trifft es nicht ganz. Ein Chamäleon passt nur seine Farbe der Umgebung an. Ein Geschmacksmuster geht weiter und passt seinen Schutzumfang an die Umgebung an: Solange das Geschmacksmuster ein Design beansprucht, das nicht schon auf den ersten Blick trivial erscheint, und solange von demjenigen, der wegen Geschmackmusterverletzung abgemahnt oder verklagt worden ist, keinerlei Nachweis dafür erbracht worden ist, dass recht ähnliche Designs bereits früher bekannt waren, wird dem Geschmacksmuster von den Gerichten ein weiter Schutzbereich zugesprochen.

In diesem Fall kann auch dann eine Geschmacksmusterverletzung vorliegen, wenn eigentlich einige nicht ganz unwesentliche Unterschiede zwischen dem Geschmacksmuster und dem Produkt bestehen, das mit der Abmahnung wegen Geschmacksmusterverletzung angegriffen wird.

Kann derjenige, der eine Abmahnung wegen Geschmacksmusterverletzung oder Designverletzung erhalten hat, allerdings Beweise dafür vorlegen, dass es schon vor dem Anmeldetag des gegen ihn geltend gemachten Geschmacksmusters ganz ähnliche Designs gegeben hat wie das beanstandete Design, dann schrumpft der Schutzbereich des mit der Abmahnung geltend gemachten Geschmacksmusters plötzlich.

Der entscheidende Punkt ist, dass ein angegriffenes Design, das nachweislich wesentlich mehr Gemeinsamkeiten mit einem Design hat, das am Anmeldetag bzw. am Tag der Entstehung des geltend gemachten Geschmacksmusterrechts bereits bekannt war als mit dem Geschmacksmuster bzw. Designrecht, das angeblich verletzt sein soll, keine Geschmacksmusterverletzung darstellen kann. Denn der Schutzbereich eines Geschmacksmusters bzw. Designrechts kann nicht so weit reichen, dass er auch den vorbekannten Formenschatz abdeckt.

Das lässt klar werden, warum im Ernstfall eine versierte Geschmacksmusterrecherche von größter Wichtigkeit ist, mit der der für die Bestimmung des Schutzbereichs maßgebliche „Formenschatz“ aus längst bekannten Designs aufgedeckt werden kann.

Praxisbeispiel

Der nachfolgend links abgebildete Handrasenmäher ist durch ein europäisches Geschmacksmuster geschützt.

Der Geschmacksmusterinhaber behauptet, dass ein ähnlicher, hier nicht abgebildeter Rasenmäher eine Geschmacksmusterverletzung darstelle - der angegriffene Handrasenmäher möge zwar einige Designabweichungen aufweisen, seine Frontpartie werde aber durch fast das gleiche, auffällig geriffelte Schutzblech geprägt, sodass der ästhetische Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Designs so ähnlich sei, dass eine Geschmacksmusterverletzung zu bejahen ist.

Die entscheidende Wende in diesem Fall brachte eine Designrecherche, die die Tatsache aufdeckte, dass der nachfolgend rechts abgebilete Handrasenmäher am Anmeldetag des gegnerischen Geschmacksmusters bereits zum Formenschatz gehört hat. Nachdem damit nachgewiesen ist, dass das angeblich so auffällige geriffelte Schutzblech ein "alter Hut"

EU-Geschmacksmuster 000580188 für einen Spindelmäher
 
Vorbekannter Formenschatz für einen solchen Spindelmäher (Lehrbeispiel)

Keine Verletzung wegen designerischer Unterschiede

Wenn man nicht das Glück hat, nachweisen zu können, dass das angegriffene Design wesentlich mehr Gemeinsamkeiten mit dem vorbekannten Formenschatz hat als mit dem angeblich verletzten Geschmacksmuster  bzw. Designrecht und schon deshalb keine Verletzung sein kann, beginnt nun die Feinarbeit.

Man arbeitet zunächst heraus, welche Gestaltungsmerkmale den sog. ästhetischen Gesamteindruck des geschützten Designs maßgeblich prägen. Das sind diejenigen Gestaltungsmerkmale, die das ästhetische Empfinden des Betrachters besonders ansprechen, weil sie beim Gebrauch des geschützten Gegenstandes ins Auge springen und einen signifikanten Unterschied zum bereits vorbekannten Formenschatz ausmachen.

Dabei ist dort, wo es um die Verletzung eines eingetragenen Geschmacksmusters oder Designs geht, das WYSIWYG-Prinzip des Geschmacksmuster- und Designrechts zu beachten: Man hat strikt von den Ansichten bzw. Bildern auszugehen, die für das geltend gemachte Geschmacksmuster oder Design eingetragen worden sind, und nicht vom Design des wirklich vom Rechtsinhaber vertriebenen Produkts. Grundsätzlich gilt dabei, dass sich der maßgebliche ästhetische Gesamteindruck des geschützten Geschmacksmusters oder Designrechts aus einer Zusammenschau all seiner eingetragenen Ansichten ergibt, soweit sie relevant sind - siehe Exkurs.

Entdeckt man gravierende designerische Unterschiede, die eindeutig auch im Gebrauch sichtbar sind, dann darf man sich allerdings nicht zu früh freuen. Denn die Unterschiede sind nur dann relevant, wenn sich nicht durch Auslegung ergibt, dass die Unterschiede ausnahmsweise doch unbeachtlich sind.

Der nachfolgend geschilderte Fall ist ein sehr anschauliches Beispiel dafür, wie weit routiniert geltend gemachte Auslegung gehen kann.

PRAXISBEISPIEL:

Die nebenstehend abgebildete Gabione zum Bau einer Kräuterschnecke („Hochbeet“ in Schneckenform) war mit den gezeigten, unterschiedlichen Ansichten unter der Nummer EM 000692512-0014 als europäisches Geschmacksmuster eingetragen worden – zum Vergrößern auf die Bilder klicken.

Das wegen angeblicher Designverletzung in Anspruch genommene Unternehmen bot ausschließlich die aus Draht bestehenden, entsprechend vorgeformten Bauteile für die schneckenförmige Gabione an.

Im Verletzungsverfahren wurde eingewandt, dass das Designrecht schon deswegen nicht verletzt sei, weil niemals eine Gabione angeboten wurde, die so bepflanzt war, wie das die nebenstehende, farbige Ansicht des Geschmacksmusters zeigt. Darüber hinaus wurde eingewandt, dass auch niemals eine Gabione angeboten wurde, die die hölzernen Befestigungspflöcke besitzt, wie das die nebenstehende, mittlere Ansicht  des Geschmacksmusters zeigt.

Dieser Argumentation hat das Gericht den Erfolg versagt. Begründet wurde das damit, dass die besagte Bepflanzung und die Holzpflöcke offensichtlich nur Beiwerk zeigen, das bei der Ermittlung des Schutzbereichs unberücksichtigt zu bleiben hat.

Die drei Figuren des EU-Geschmacksmusters 
000692512-0014, das auslegungsbedürftig ist.

Keine Verletzung wegen unterschiedlicher Farben

Hier handelt es sich sozusagen um einen Sonderfall, der soeben angesprochenen Gruppe "keine Verletzung wegen designerischer Unterschiede".

Wenn das geltend gemachte Geschmacksmuster oder Designrecht nur in schwarz/weiß, als Strichzeichnung oder in Grautönen eingetragen ist, dann beansprucht es farbunabhängigen Schutz.

Somit kommt es in einem solchen Fall nicht darauf an, ob das Produkt, das als Geschmacksmuster- bzw. Designverletzung angegriffen wird, blau, gelb, grün oder mehrfarbig gemustert ist. Die Grenze kann dann erreicht sein, wenn der angegriffenen Ausführungsform durch ihre ausdrucksstarken Farbkontraste oder durch ihre extreme Musterung ein deutlich anderer ästhetischer Gesamteindruck verliehen wird als der, den das geschützte Muster vermittelt. 

Wenn das geltend gemachte Geschmacksmuster oder Designrecht farbig eingetragen ist und das Produkt, das als Geschmacksmuster- bzw. Designverletzung angegriffen wird, eine andere Farbe aufweist, heißt das aber noch nicht, dass deswegen gleich die Verletzung zu verneinen ist.

Ist die Farbe bei dem geschützten Produkt aus dem Blickwinkel des Designers eher "Beiwerk", dann ist sie beim Vergleich des ästhetischen Gesamteindrucks des geschützten Designs und des angeblich verletzenden Designs "unterzugewichten".

Fiktives Beispiel - ein Gedankenexperiment:

Bitte abstrahieren: Man stelle sich einfach kurz vor, dass die bekannten Spielkegel noch nicht bekannt seien und ihr Schöpfer sie dadurch für sich schützen lassen hat, dass er einen solchen Spielkegel in grün für sich als Design registrieren lassen hat.

Wer einen solchen Spielkegel in blau herstellt und vermarktet, würde in diesem fiktiven Fall wohl das für den grünen Spielkegel eingetragene Designrecht verletzen - denn man kann mit Recht sagen, dass die Farbe gegenüber der (fiktiv: neuartigen) Form soweit in den Hintergrund tritt, dass der ästhetische Gesamteindruck trotz des Farbunterschiedes gleich ist.

Anders sieht die Situation gegenüber dem mittig gezeigten "getigerten" Spielkegel aus. Das auffällige Muster dürfte den ästetischen Gesamteindruck soweit abwandeln, dass sehr fraglich ist, ob der getigerte Spielkegel wirklich noch das Designrecht für den grünen Spielkegel verletzt.

Designverletzung: Der grüne und der blaue Spielkegel bieten den gleichen Gesamteindrck, der getiegerte Spielkegel verletzt das Designrecht nicht Ein fiktives Beispiel dafür, wann unterschiedliche Farben bei der Frage, ob eine Designverletzung vorliegt, relevant sind...
(Bild: MW-Patent)

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