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PATENT ODER GEBRAUCHSMUSTER?

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IM FOKUS

 Patent oder Gebrauchsmuster - was ist die richtige Strategie? Es hält sich hartnäckig das Gerücht, die Frage "Patent oder Gebrauchsmuster" sei leicht zu beantworten, weil ein eingetragenes Gebrauchsmuster bei einer Klage weniger wert sei. Anlass hierfür ist der Glaube, eine auf ein ungeprüftes Gebrauchsmuster gestützte Klage ließe sich im Ernstfall schlechter vor Gericht durchsetzen. Die Tendenz, die Frage "Patent oder Gebrauchsmuster" nur bei schwachen Erfindungen zugunsten des Gebrauchsmusters zu beantworten, wird jedoch den Möglichkeiten des Gebrauchsmusterrechts nicht gerecht. Der Verfasser beschäftigt sich in seiner Eigenschaft als Patentanwalt und Rechtsanwalt seit vielen Jahren mit Klagen zur Durchsetzung von Gebrauchsmustern vor Gericht.
Der nachfolgende Beitrag beleuchtet die Frage "Patent oder Gebrauchsmuster" und die  strategischen Vorteile von Gebrauchsmustern in der gerichtlichen Praxis.

GEBRAUCHSMUSTER ODER PATENT │ WANN REICHT WAS?

Um eine fundierte Entscheidung zu treffen, ob im konkreten Einzelfall die Anmeldung eines Patents oder eines Gebrauchsmusters zweckmäßiger ist, muss man zunächst die Unterschiede zwischen einem Patent und einem Gebrauchsmuster kennen - hierzu sei auf den Beitrag "Unterschied zwischen Patent und Gebrauchsmuster" verwiesen.


Aus dem besagten Beitrag ergeben sich auch schon erste Antworten auf die Frage "Patent oder Gebrauchsmuster":

  • Dort, wo der Erfinder seine Erfindung bereits selbst veröffentlicht hat oder im Ausland bereits eine offenkundige Vorbenutzung eines Dritten erfolgt ist, ist die Antwort auf die Frage "Patent oder Gebrauchsmuster" ganz einfach. Sie lautet "nur ein Gebrauchsmuster". Denn nur ein Gebrauchsmuster kommt in den Genuss der sechsmonatigen Neuheitsschonfrist und ist gegen offenkundige Vorbenutzungen im Ausland immun.

  • Umgekehrt lautet die Antwort dort, wo ein Verfahren statt eines Produkts geschützt werden soll, "nur ein Patent" - denn Verfahren sind dem Gebrauchsmusterschutz nicht zugänglich.

  • Ansonsten lautet die Antwort, "wer mit maximal 10-jährigem Schutz auskommt, der auf Deutschland beschränkt ist", für den reicht - mit Blick auf die Kosten - in vielen Fällen der Schutz durch ein Gebrauchsmuster.

  • Für wichtige Erfindungen ist aus strategischen Gründen der Doppelschutz durch ein Patent und ein Gebrauchsmuster erwägenswert, vgl. die nachfolgenden Überlegungen.

GEBRAUCHSMUSTER | STRATEGISCHE VORTEILE

Soll notfalls auch Klage eingereicht werden? Dann ist der entscheidende strategische Vorteil des ungeprüft eingetragenen Gebrauchsmusters der, dass ein Schutzrecht zur Eintragung gebracht werden kann, welches erst einmal einen sehr weiten Schutzbereich besitzt.

Der Hauptanspruch, der diesen weiten Schutzbereich festlegt, mag sich bei genauerer Recherche und Prüfung als nicht rechtsbeständig erweisen. Das ist aber für die Klage aus dem Gebrauchsmuster oft mitnichten ein Nachteil, ganz im Gegenteil:

Vom Mauerblümchen zum Feuervogel

Gerade auch dort, wo eine Patentanmeldung und ein paralleles Gebrauchsmuster existieren, steht das Gebrauchsmuster meist erst einmal nicht im Fokus des Interesses der Konkurrenz.

Dies hat seinen Grund darin, dass sich die Konkurrenten erfahrungsgemäß vorrangig an dem zur gleichen Patentfamilie gehörenden europäischen Patent und dem parallelen US-Patent orientieren. Sobald die Konkurrenten im Laufe des Prüfungsverfahrens erkennen können, in welche Richtung die Ansprüche der europäischen und/oder amerikanischen Patentanmeldung eingeschränkt werden, um gegenüber dem Stand der Technik patentfähig zu sein, werden Umgehungslösungen entwickelt.

Das deutsche Gebrauchsmuster fristet dabei im Bewusstsein der Konkurrenz oft zunächst erst einmal nur ein Schattendasein.

...zum Feuervogel

Das Gebrauchsmuster bzw. eine Klage daraus rücken in dem Moment in den Fokus des Interesses, in dem gerichtlich gegen konkurrierende Lösungen vorgegangen werden soll, die das europäische Patent und das US-Patent erfolgreich umgehen.

Da das Gebrauchsmuster im ursprünglichen, uneingeschränkten Umfang eingetragen worden ist, hat dessen Inhaber nun die Möglichkeit, die Gebrauchsmuster-Ansprüche für die Klage gezielt so einzuschränken, dass sie rechtsbeständig sind und zugleich die Umgehungslösung des Konkurrenten noch erfassen, der verklagt werden soll.

Entscheidend ist, dass die  vorzunehmende Einschränkung dabei keineswegs der Einschränkung entsprechen muss, die schon zuvor im Patenterteilungsverfahren vor dem US-Patentamt und dem Europäischen Patentamt vorgenommen wurde. Ganz im Gegenteil, der Gebrauchsmusterinhaber hat nicht selten die Chance, eine Einschränkung vorzunehmen, die in eine andere Richtung geht. Es gelingt dann, die Lösung des Konkurrenten nach wie vor zu erfassen, obwohl sie das europäische Patent und/oder das US-Patent erfolgreich umgeht.

Diese Vorgehensweise wird naturgemäß umso eher gelingen, je detailreicher die Unteransprüche und/oder die Beschreibung des Gebrauchsmusters abgefasst sind.

GEBRAUCHSMUSTER │ GERICHTLICHE DURCHSETZUNG

Die langjährige patent- und rechtsanwaltliche Prozesserfahrung vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten zeigt, dass sich ein Gebrauchsmuster in fast allen Fällen genauso effektiv vor Gericht durchsetzen lässt wie ein Patent - wenn man mit den Besonderheiten des Gebrauchsmusters umzugehen weiß und die Gebrauchsmusterverletzungsklage von vornherein konsequent hierauf ausrichtet.

Erst recherchieren, dann klagen

Bevor man eine Klage wegen Gebrauchsmusterverletzung vorbereitet, führt man im Regelfall selbst eine Patentrecherche durch. Zugleich stellt man Rechercheantrag beim DPMA, sofern noch nicht geschehen. Das Recherchieren kann sich in den Fällen erübrigen, in denen parallele Patente existieren, für die die zuständigen Patentämter bereits Recherchen durchgeführt haben.

Man sichtet dann den recherchierten Stand der Technik. Ist er irrelvant, dann kann aus dem unveränderten Gebrauchsmuster geklagt werden. Andernfalls entwirft man einen Satz Ansprüche, die so eingeschränkt sind, dass sie voraussichtlich gegenüber dem Stand der Technik rechtsbeständig sind - wie nachfolgend geschildert:

Rechtsbeständige Ansprüche ausarbeiten

Ideal ist, wenn sich gleich durch die Kombination mehrerer der bereits eingetragenen Gebrauchsmusteransprüche ein neuer Hauptanspruch entwerfen lässt, der rechtsbeständig erscheint. Denn dann wird die Klage wegen Gebrauchsmusterverletzung sofort zu einem Urteil führen (wenn wirklich eine Verletzung vorliegt), ohne dass das Landgericht zuvor noch das Verfahren gem. § 148 ZPO aussetzt.

Vor diesem Hintergrund wird nun auch verständlich, warum beim Entwerfen einer Gebrauchsmusteranmeldung tunlichst darauf zu achten ist, möglichst viele gut durchdachte Unteransprüche aufzustellen - zumal das Gebrauchsmusterrecht im Gegensatz zum Patentrecht keine amtlichen Anspruchsgebühren für jeden Anspruch jenseits des 10. Anspruchs kennt.

Ansonsten kann auch durch Kombination des eingetragenen Hauptanspruchs mit Merkmalen aus der Beschreibung ein gegenüber dem Stand der Technik rechtsbeständig abgegrenzter Anspruch entworfen werden.

Um auch bei einer solchen Art der Einschränkung zu vermeiden, dass das angerufene Landgericht das Verfahren auf Antrag des Beklagten erst einmal aussetzt, bis das DPMA über die Rechtsbeständigkeit des eingeschränkten Anspruchs entschieden hat, ist allerdings fundierte anwaltliche Erfahrung notwendig. Hier hat man sich als Anwalt mit der nötigen Routine die in der Entscheidung BGH Xa ZR 70/08 -"Maschinensatz" niedergelegten Grundsätze zunutze zu machen.


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