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EINHEITSPATENT | EU-EINHEITSPATENT

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IM FOKUS

05.01.2025: Im Amtsdeutsch heißt es Europäisches Patent mit gemeinschaftlicher Wirkung. Abgekürzt wird es Einheitspatent, EU-Einheitspatent, EU-Patent oder Gemeinschaftspatent genannt - der Name für das Einheitspatent ist so vielfältig wie die Fragen hierzu:

  • Bietet das Einheitspatent Patentschutz für ganz Europa?
  • Welche Möglichkeiten für ein EP-Patent oder Einheitspatent gibt es
  • und welche davon passt zu mir? 

Wenn diese Fragen zum Einheitspatent bzw. zum Gemeinschaftspatent für Sie noch offen sind, dann sind Sie hier richtig Alles Wichtige zum Patentschutz in Europa vom Praktiker für Praktiker an Hand von Beispielsfällen - am bequemsten abrufbar über die nachfolgende Linkliste. 

WIE GEHT PATENTSCHUTZ IN EUROPA?

Egal ob ein EU-Einheitspatent gewünscht ist oder nur ein klassisches EU-Patent. Die "Eingangstür" zum Patentschutz in Europa ist immer die gleiche: 

Man reicht wie gewohnt eine Europäische Patentanmeldung beim Europäischen Patentamt in München oder Den Haag ein. Eine Entscheidung für oder gegen das neue Einheitspatent muss hierbei noch nicht getroffen werden. Die Patentanmeldung durchläuft nun erst einmal das Prüfungsverfahren. Schließlich wird das Europäische Patent erteilt.

Diese amtliche Erteilung des Patents schafft zunächst nur Berechtigung des Patentanmelders innerhalb der hiervon in Gang gesetzten Frist einen oder mehrere der in der nachfolgenden Box aufgelisteten 39 Mitgliedsstaaten des EPÜ auszuwählen. Also die Staaten, in denen das Europäische Patent validiert werden soll um fortan Wirkung als nationales Patent des betreffenden Staates und/oder als Einheitspatent für 17 hieran teilnehmende Mitglieder des EU-Binnenmarktes zu entfalten.  

Erst jetzt muss sich der Patentanmelder entscheiden, ob er so validiert, dass er ein "klassisches" EP-Patent erhält, ein "modernes" EP-Patent in Kombination mit einem EU-Einheitspatent oder nur ein EU-Einheitspatent:

Mitgliedsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens:

AL, AT, BE, BG, CH, CY, CZ, DE, DK, EE, ES, Fi, FR, GB, GR, HR, HU, IE, IS, IT, Li, LT, LU, LV, MC, ME, MK, MT, NL, NO, PL, PT, RO, RS, SE, SI, SK, SM, TR

»  Jeder gelistete Staat ist über das klassische EP-Patent validierbar 

» "Rote Staaten" sind alternativ auch über das Einheitspatent validierbar

» "Gelb hinterlegte" Staaten sind die am häufigsten gewählten ("validierten")

KLASSISCHES EP-PATENT ODER EINHEITSPATENT? 

Nach Erteilung des EP_Patents stehen dem Patentanmelder also zwei alternative Möglichkeiten zur Verfügung um seine Erfindung z. B. für den EU-Binnenmarkt incl. ES (nimmt nicht am Einheitspatent teil) und darüber hinaus für weitere ausgewählte Länder zu schützen, die "nur" geografisch zu Europa gehören, etwa UK, CH sowie TR:

  • Das klassisch zugeschnittene Europäische Patent, im Rahmen dessen das jüngst erteilte Patent in jedem abzudeckenden Staat einzeln und daher zumindest in DE, FR, IT, ES, AT, UK, CH und TR validiert wird - wofür in IT, ES und TR Auslandskollegen einzuschalten und Übersetzungen in Landessprache einzureichen sind.
  • Das modern zugeschnittene Europäische Patent, das zur bestmöglichen Abdeckung des EU-Binnenmarktes in ein EU-Einheitspatent und darüber hinaus nur noch in den davon nicht abgedeckten Staaten ES, UK, CH und TR validiert wird - wobei allerdings für das EU-Einheitspatent, sowie für ES und TR Übersetzungen einzureichen sind und in ES und TR auch nach wie vor  Auslandskollegen benötigt werden.
  • Schlankere Variante: Legt der Patentanmelder aus Kostengründen keinen Wert auf Schutz in ES, UK, CH und TR sondern will nur den EU-Binnenmarkt (ohne ES) abdecken und validiert das ihm jüngst erteilte europäische Patent daher nur für den EU-Binnenmarkt, dann bleibt ihm "nur" ein einziges Patent übrig - nämlich das EU-Einheitspatent, also das Europäische Einheitspatent.  

PASST DAS EINHEITSPATENT ZU UNS?

Die entscheidende Frage: Nach welchen Kriterien kann eine für den jeweiligen Einzelfall sachgerechte Entscheidung getroffen werden, ob man auf ein

  • auf ein Einheitspatent hinwirken sollte, um die 17 teilnehmenden EU-Binnenmarktstaaten alle auf einmal abzudecken,
  • oder beim bisher üblichen, "klassischen" EP-Patent bleibt und versucht den EU-Binnenmarkt durch Validierung in den preisgünstig erreichbaren Schlüsselstaaten DE, FR, IT, BE und AT zu blockieren?

Folgende, bei genauerem Hinsehen unterschiedlich schwerwiegende  Kriterien sind bei der Beantwortung Frage "EU-Einheitspatent ja oder nein" abzuwägen:

Abwägungskriterien pro und contra Einheitspatent

  • Die Kosten für die Validierung eines Einheitspatents - MEHR 
  • Die Kosten für die späteren Jahresgebühren des Einheitspatents - MEHR
  • Die einheitliche gerichtliche Durchsetzung eines Einheitspatents - MEHR
  • Die Verwundbarkeit des Einheitspatents durch einen Nichtigkeitsangriff - MEHR
  • Die Möglichkeit einen EU-Grenzbeschlagnahmeantrag zu stellen - MEHR
  • Die Möglichkeit europaweiter "Fake-Kick-Outs" bei Amazon & Co

Die Antwort auf Frage "passt das Einheitspatent zu uns" ist weniger komplex, als es angesichts der vorstehend aufgelisteten Abwägungskriterien auf den ersten Blick aussieht. Die unten unter dem Headliner "TYPISCHE FALLKONSTELLATIOMEN" geschildeten Beispiele bieten anschauliche Orientierung, wahrscheinlich finden Sie sich hier wieder. Abstrakt vor die Klammer gezogen gilt folgendes:

Die angeblich geschmälerte Attraktivität des Einheitspatents wegen seiner größere Verwundbarkeit durch die Möglichkeit eine zentralen Nichtigkeitsangriffs erscheint zunächst logisch. Die größere Verwundbarkeit wird daher oft kolportiert. Sie ist aber nur in seltenen Fällen wirklich praxisrelevant  

Richtig ist allerdings, dass das  EU-Einheitspatent einstweilen für kleine Unternehmen noch eher weniger attraktiv ist, weil ein eventueller Patentverletzer vor dem völlig neu 

https://www.bmj.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2023/0217_Einheitliches_Patentgericht.html entstandenen Einheitspatentgericht verfolgt werden muss - 

sich hier mit einer der ersten Klagen als Pionier zu betätigen kann aufwendig und teuer werden. Da sich aber schon in diesen ersten Wochen eine recht rege Frequentierung des Einheitspatentgerichts abzeichnet wird dieser Aspekt in den kommenden Jahren zügig an Bedeutung verlieren.

Gravierender ist die Kostenfrage, was einleuchtet wenn man sich die "DNA" des Einheitspatents genauer ansieht: 

Die "DNA" des Einheitspatents:

Das Einheitspatent ist so "konstruiert", dass es sich preisgünstig erwerben lässt. Weniger preisgünstig ist aber seine jährliche Aufrechterhaltung. Die verursacht nach dem Willen der Väter des Einheitspatents in etwa die gleichen Kosten wie die alternative Validierung in 4 Einzelstaaten des EU-Binnenmarktes. Das kann für solche Einheitspatente teuer werden, die lange aufrechterhalten werden - und hiebei nicht "abgespeckt" werden können um die Last der jährlich zu zahlenden Aufrechterhaltungsgebühren zu reduziern

Mit Blick auf die Kosten tun Unternehmen, die ein großes Patentportfolio unterhalten, gut daran, solche EP-Patente nicht zu Einheitpatenten zu validieren, die auch bei Ihrer Erteilung nach ca. 3 Jahren noch nicht von den Produkten des Unternehmens genutzt werden und daher womöglich bloße Sperrpatente bleiben.

BEISPIELE FÜR TYPISCHE FALLKONSTELLATIONEN

Start-Up, kleines Patentportfolio, Produkt am Markt

Ihr Unternehmen ist ein Startup oder ein längst eingeführtes Unternehmen mit bisher geringen Patentaktivitäten.

Sie sind im Begriff ein ca. 20 Textseiten umfasendes Europäisches Patent zum direkten Schutz ihres neu entwickelten und zukunftsträchtigen Produkts zu erwirken. Ihr neu entwickeltes Produkt wird schon mit Erfolg auf europäischen Binnenmarkt vertrieben. Ihr Patentportfolio ist überschaubar. Sie müssen also nicht darauf bedacht sein Portfoliokosten zu drücken, indem pro Schutzrecht Beträge eingespart werden, die sich über die größere Zahl der Schutzrechte hinweg stark aufsummieren.  

In dieser Situation erscheint es vernünftig aus dem kommenden EP-Patent (auch) ein EU-Einheitspatent hervorgehen zu lassen. So wird der EU-Binnenmarkt bestmöglich abgedeckt. Das gilt insbesondere wenn Sie daran denken in absehbarer Zeit auf Investorensuche zu gehen.

Es gibt zunächst zwei "Wermutstropfen":

  • Verglichen mit der kleinsten denkbaren Lösung "DE, FR, AT" (UK und CH gehen immer "extra", allerdings ohne besonderen Aufwand) fallen für das EU-Einheitspatent Mehrkosten von ca. 1.400 EUR für die derzeit obligatorische Übersetzung der 20 Textseiten des EU-Einheitspatents an.
  • Das EU-Einheitspatent kann über seine gesamte Laufzeit hinweg nur ganz oder gar nicht aufrecht erhalten werden. Es ist nicht möglich sich in den relevanten Patentjahren 10 bis 20 eines guten Teils der künftig fällig werdenden, ohnehin etwas teureren Jahresgebühren zu entledigen, indem man das EU-Einheitspatent beispielsweise nur noch in DE aufrecht erhält.     

Diese Wermutstropfen hinzunehmen dürfte aber gerechtfertigt sein weil man dafür durch die Validierung als EU-Gemeinschaftspatent dauerhaften Schutz für 17 Mitgliedsstaaten des EU-Binnenmarktes bekommt anstatt nur Schutz für DE, FR und AT. 

Lediglich ein einstweilen noch recht schwerwiegender Punkt ist bei diesem an sich ziemlich eindeutigen Fall in die Überlegungen einzubeziehen:

Wer damit rechnet in Bälde gerichtlich gegen einen Patentverletzer vorgehen zu müssen, der greift unter Umständen doch zum "klassischen" EP-Bündelpatent. Denn damit bekommt er ein nationales deutsches Patent in die Hand, aus dem sich auf der Grundlage einer schon etablierten Rechtsprechung zur Patentverletzung zu vergleichsweise überschaubaren Kosten die Hilfe deutscher Gerichte in Anspruch nehmen lässt. 

Dies vor dem Hintergrund, dass sich bei den erst im Juni 2023 gestarteten Europäischen Gemeinschaftspatentgerichten erst noch eine Rechtsprechung etablieren muss - wer in absehbarer Zeit bei einem der Gemeinschaftspatentgerichte klagt, der ist also Pionier - oder auch "Versuchskaninchen", wenn es nicht ganz so glatt anläuft, wie erhofft. Letzteres macht den anwaltlichen Aufwand für die Klage eher größer als geringer - und das bei von Haus aus ohnehin höheren Gerichtskosten.

Am Rande sei erwähnt dass in einem solchen Fall eine rechtzeitige Abzweigung eines Gebrauchsmusters ein entscheidender Vorteil sein kann - jedenfalls für den der damit vor Gericht umzugehen weiß.

Maschinenbauer mit großem Patentportfolio

Nehmen wir an, Sie sind ein etablierter Maschinenbauer für Spezialwerkzeugmaschinen. Sie bewegen sich in einem Marktumfeld, das durch OEM-Konkurrenten in FR, UK, CH, IT, US und JP geprägt ist. Die Konkurrenten unterhalten jeweils ein eigenes europaweites Vertriebsnetz zum Vertrieb an den Endkunden.

Sie lassen in Europa nicht nur Schlüsselerfindungen patentieren sondern auch kleinere Verbesserungen. Die Produktzyklen sind lang. Erworbene Patente werden lange aufrechterhalten. Ihr Patentportfolio ist recht umfangreich. Seine Kosten müssen optimiert werden. 

In dieser Situation erscheint folgendes vernünftig:

Sie lassen nur aus echten EP-Schlüsselpatenten jeweils auch ein EU-Einheitspatent entstehen. 

Die anderen von Ihnen erwirkten EP-Patente,

  • die nicht oder nur wenig genutzt werden 
  • oder weniger bedeutend sind, etwa weil sie relativ leicht vermeid- oder umgehbare, zusätzliche Konstruktionsdetails einer schon anderweitig geschützten Maschine abdecken,

  • oder sogar nur Sperrpatente sind,

behandeln Sie wie bisher auch - indem Sie sie in einzelne nationale Patente z. B. in DE, FR, UK, CH und evtl auch IT validieren.

Das Risiko mit dieser Strategie einen wirklichen Nachteil zu erleiden ist nicht allzu groß.

Die anfänglichen Kosten für die Validierung des erteilten EP-Patents in nationale Patente in DE, FR, UK, CH, IT werden sich nicht gravierend von den anfänglichen Kosten für die "Validierung" in ein Europäisches Einheitspatent unterscheiden. Dies deshalb weil den im erstgenannten Fall fälligen Übersetzungskosten für IT beim Europäischen Gemeinschaftspatent die Kosten für die einstweilen obligatorische Übersetzung ins Englische gegenüberstehen.

Auf dem Papier zeigen sich zunächst zwei scheinbar offensichtliche Unterschiede: 

Durch die "Validierung" in ein Europäisches EU-Einheitspatent bzw. Gemeinschaftspatent erhält man automatisch Schutz für alle 17 derzeitigen EU-Mitglieder des Gemeinschaftspatentübereinkommens. Die Frage ist, ob das am Ende stets praxisrelevant ist. Denn die Erfahrung lehrt, dass nicht selten auch der "bloße" Schutz in DE, FR, UK (erst recht bei Einschluss von CH und IT) eine "Defacto-Totalblockade" des EU-Gmeinschaftsmarktes erreicht. Schon ein bloßer Schutz in DE und FR führt oft dazu, dass der EU-Markt als ganzes für dieses Patent verletzende Serienprodukte gesperrt ist. Schlagwort => wer liefert schon nach Deutschland verkaufte "GOLF"-Fahrzeuge mit einem anderen Außenspiegel aus...?. 

Auch prozessual ist der Unterschied bei einer solchen Konstellation oft nicht so gravierend, wie es den Anschein hat. Zwar kann ein patentverletzender Konkurrent aus dem EU-Gemeinschftspatent "bequem" mit Wirkung für fast ganz Europa belangt werden. Das gelingt aber oft auch schon dann wenn der patentverletzende Konkurrent z. B. in FR ansässig ist, von hier aus europaweit vertreibt und "nur" ein FR-Patent validiert ist.  

Zu bedenken ist ein ganz anderer Punkt.

Nämlich der, dass ein einmal in die Welt gesetztes EU-Gemeinschaftspatent nur als ganzes aufrechterhalten werden kann. Das bedeutet, dass jedes Jahr eine Aufrechterhaltungsgebühr bezahlt werden muss, die in etwa der Summe entspricht, die die jährlichen nationalen Aufrechterhaltungsgebühren der vier größten Mitgliedsstaaten ausmacht. Es besteht also keine Chance sich in Krisenzeiten oder gegen Ende des Produktlebenszyklus z. B. darauf zu beschränken, den betagten und daher teuren Patentschutz nur in DE oder den Kernländern DE und FR weiter aufrecht zu erhalten und dadurch künftig jedes Jahr einen wesentlichen Teil der bisher aufgewandten Jahresgebühren einzusparen. 

Bei einem einzigen EU-Einheitspatent mag das nicht entscheidend ins Gewicht fallen. Hat man aber irgendwann dutzende davon im Portfolio, dann sieht das anders aus.  

Unternehmen auf überflutungsgefährdetem Markt tätig

Nehmen wir an der Interneteinzelhandel ist ein wichtiges Absatzfeld für Sie. Sie vertreiben ein erkennbar innovatives Produkt. Etwa einen besonders innovativen Laufschuh für Läufer mit potentiellen Kniebeschwerden. Der Laufschuh hat eine besonders gedämpfte und daher im Hackenbereich sehr auffällige Sohle. Das ist ein Produkt, das womöglich schnell das Interesse der fernöstlichen Neuheitsscouts findet weil es sich auch gut über Alibaba & Co oder chinesische Europalager bei Amazon im Einzelhandel versenden lässt. 

In diesem Fall ist sicherlich dringend darüber nachzudenken, zur Flankierung des sowieso eingetragenen EU-Geschmacksmusters aus dem jüngst für den Laufschuh erteilten EP-Patent auch ein Europäisches Einheitspatent hervorgehen zu lassen. Dies, um den EU-Binnenmarkt so gut wie möglich abzudecken und zu verhindern dass sich ungehindert optisch "umdesignte" Fakes mit gleicher orthopädisch wirksamer Laufsohle ausbreiten können. 

Die Erfahrung lehrt, dass es in einer derartigen Situation - oft sehr überraschend -  zu einer Marktüberflutung mit fernöstlichen Plagiaten kommt. 

Hier kann ein EU-Einheitspatent einen entscheidenden Vorteil bieten. Zwar ist das EU-Einheitspatent bzw. Gemeinschaftspatent mit seinen nur 17 Ratifizierungsstaaten einstweilen noch zu "löcherig" um einen EU-weiten Grenzbeschlagnahmeantrag zu ermöglichen. Es lassen sich aber gezielt mehrere nationale Grenzbeschlagnahmeanträge stellen.

Der entscheidende Punkt ist zudem, dass das EU-Einheitspatent sehr effektive Selbsthilfe ermöglicht - indem das Marktgeschehen auf den einschlägigen Online-Plattformen mit Hilfe KI-gestützer Spezialsoftware über die innereuropäischen Binnengrenzen hinweg beobachtet wird um die Produkte der Nachahmer massenhaft als Fälschungen an die Plattformbetreiber zu melden - "Fake-Kick-Off" at its best. 

Bekämpfung von Konzennetzwerken 

Auch für diese Konstellation lässt sich sehr anschauliches Beispiel finden - das speziell erscheint, aber nur rein beispielhaft für viele andere Fälle steht, auch aus dem klassischen Industriebereich.

Sie sind Hersteller von hochinnovativen Sportgeräten. Sie sind im Begriff ein EU-Patent für Ihr besonders geschickt zusammenfaltbares und dadurch im bisher ungenutzten Spalt zwischen Kleiderschrank und Wand verstaubares Ergometerfahrrad erteilt zu erhalten. 

Gefährliche Konkurrenz für Sie sind z. B. europaweit agierende Baumarkt- oder Möbelhausketten. Denn die neigen gelegentlich dazu offensichtlich erfolgreiche Innovationen in großem Stil aus Asien zu beziehen und dann zu einem Schlagerpreis als zum Spontankauf animierende Aktionsartikel "unter das Volk" zu bringen. 

Ihr Problem ist, dass Sie im Regelfall die grenzübergreifende Konzernstruktur der Baumarktkette nicht kennen werden. Sie wissen also nicht, ob und in welchem Umfang die z. B. in Frankreich ansässige Konzernmutter des "Mr. Bricolage"-Konzerns (alle Namen reine Phantasienamen) den über verschiedene EU-Seehäfen erfolgenden Import und die EU-weite Verteilung der nachgemachten Ergometerfahräder an die verkaufszuständigen Landes- oder gar Regionaltöchter (Mr. Bricolage Süddeutschland) steuert und wo der Hauptgewinn anfällt, den Sie abschöpfen wollen.

In einer solchen Konkurrenzsituation spricht ebenfalls sehr viel dafür Ihr kommendes EP-Patent in oder auch in ein EU-Einheitspatent zu validieren um unangenehme Überraschungen bei der Patentdurchsetzung zu vermeiden - etwa indem Sie vor Gericht den Einwand hören, die von Ihnen verklagte Regionalgesellschaft dieses Landes hätte garnichts mit der Patentverletzung zu tun...     

Technisch schwach innovative Märkte

Sie bewegen sich auf einem technischen Gebiet das durch kleine Innovationsschritte geprägt ist.

Ihnen und Ihren Konkurrenten kommt die Tatsache zu Gute, dass das Europäische Patentamt in technischen Gebieten mit kleinen Innovationsschritten seine Anforderungen an die für die Patenterteilung erforderliche erfinderische Tätigkeit sehr weit absenkt und daher hier sehr großzügig EP-Patente erteilt - die das deutsche BPatG oder dessen französische Richterkollegen auf eine Klage hin womöglich als nicht-erfinderisch "kassieren" würden. 

Diese Tatsache haben alle Akteure auf Ihrem Gebiet zumindest unbewusst verinnerlicht. Es ist daher schon seit Jahren nicht mehr zu einer ernsten Patentstreitigkeit mit einem Konkurrenten gekommen. Man respektiert sich... .

In dieser Situation muss Ihr Interesse dahin gehen, rechtzeitig "dabei" zu sein, wenn sich die patentrechtlichen Maßstäbe ändern sollten. 

Und die Maßstäbe werden sich vermutlich ändern.

Für Nichtigkeitsklagen gegen EU-Einheitspatente sind schon jetzt nur noch die Gemeinschaftspatentgerichte zuständig. Die Gemeinschaftspatentgerichte sind zwar mit erfahrenen Richtern besetzt, tendenziell aber vermehrt mit solchen, die besondere Erfahrung mit Patentverletzungsprozessen haben. Dort gilt bisher, jdf. in Deutschland, die Devise das ein Patent schon "offensichtlich" nichtig sein muss um den von ihm getragenen Verletzungsprozess anhalten zu können. Das Korrektiv für diese patentinhaberfreundliche Haltung war bisher das mit technischen Richtern besetzte BPatG. Die geballte technische Expertise des BPatG wird bei den neuen Gemeinschaftspatentgerichten aber eher nicht im bisherigen Umfang abgebildet. 

Das bedeutet allerdings nicht, das für Sie schon aus diesem Grund stets die Validierung in ein EU-Einheitspatent die bessere Wahl ist. 

Der insoweit entscheidende Punkt ist, dass Sie durch ein rechtzeitiges "Opt-Out" die Möglichkeit haben alle Ihre (auch künftigen) EP-Patente, also auch die klassischen Bündelpatente, der Zuständigkeit des relativ strengen BPatG und der anderen, vergleichbaren nationalen Nichtigkeitsrichter zu entziehen - und insoweit mit dem EU-Einheitspatent gleichzustellen.


FAZIT ZM GEMEINSCHAFTSPATENT

Aus dem bisher Gesagten ergibt sich zwanglos, dass das auch als Gemeinschaftspatent bezeichnete Einheitspatent ein attraktives Schutzrecht ist, das aber nicht blind sondern im Rahmen einer bewussten Einzelfallentscheidung ausgewählt werden sollte. 

Dies vor allem wegen der zwar nicht übermäßigen aber doch beachtlichen Kosten des Gemeinschaftspatents bzw. Einheitspatents. 

Letztendlich kommt man zu dem Fazit, dass das Gemeinschaftspatent bzw. Einheitspatent für die auf aktive Patentdurchsetzung und mit einer entsprechenden Kriegskasse ausgerüstete Großindustrie ein Mittel ist zu dem relativ häufig gegriffen werden wird. Das Gemeinschaftspatent ist aber auch für kleinere Unternehmen attraktiv, jedenfalls selektiv zum Schutz derSchlüsselerfindungen. 

Es lohnt sich also das Gemeinschaftpatent alias Einheitspatent und seine stürmische Entwicklung genau im Blick zu behalten. 


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