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FRANZÖSISCHE PATENTANMELDUNGEN

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ATTRAKTIV | PATENTANMELDUNGEN IN FRANKREICH

Nationale französische Patentanmeldungen zum Erwerb von Patenten in Frankreich sind besonderen "Spielregeln" unterworfen. Denn das französische Patentrecht (Code de la propriété intellectuelle, Art. L611-1 ff.) weist im europäischen Vergleich erhebliche Besonderheiten auf. Der Autor befasst sich als Patentanwalt und Rechtsanwalt seit vielen Jahren mit dem Thema "Patentanmeldung Frankreich". Ein weiterer Interessensschwerpunkt sind die nachfolgenden Patentverletzungsverfahren in Frankreich.

Die Erfahrung lehrt, dass eine Patentanmeldung in Frankreich für denjenigen, der die Besonderheiten des französischen Patenterteilungsverfahrens kennt und weiß, wie man vor dem französischen Patentamt (INPI) zu agieren hat, attraktive taktische Gestaltungsmöglichkeiten bietet - französische Patentanmeldungen werden daher hierzulande oft unterschätzt. Der nachfolgende Beitrag beleuchtet alle wissenwerten Einzelheiten zum Ablauf der Patenterteilung in Frankreich und die sich daraus ergebenden taktischen Möglichkeiten, die der Themenkreis "nationales Patent Frankreich" bietet:

EINREICHUNG | FRANZÖSISCHE PATENTANMELDUNG

Selbst kurz vor Ablauf der Prioritätsfrist kann noch eine französische Patentanmeldung eingereicht werden. Denn eine französische Patentanmeldung kann zunächst von einem nicht in französischer Sprache verfassten Anmeldetext begleitet werden. Das Französische Patentamt schickt daraufhin eine amtliche Beanstandung an den Anmelder, der anschließend innerhalb einer Frist von zwei Monaten eine französische Übersetzung nachzureichen hat.

Für die Patentanmeldung muss obligatorisch ein Rechercheantrag gestellt werden. Die Recherchegebühr muss binnen eines Monats nach Einreichung beim Französischen Patentamt eingezahlt sein.

Conduire comme une déesse: Hydropneumatique selon la doctrine du EP 0 255 412 B1

PRÜFUNG | FRANZÖSISCHE BESONDERHEITEN

Formalprüfung

Zunächst führt das Französische Patentamt eine Formalprüfung durch, wie bei den meisten Ämtern üblich.

Bei dieser Formalprüfung wird festgestellt, ob der Gegenstand der Patentanmeldung vom Grundsatz her der Patentierung zugänglich ist oder nicht - auch in Frankreich sind Heilverfahren und rein gedankliche Tätigkeiten wie Spiele, mathematische Methoden und insbesondere Software als solche nicht patentfähig, solange damit keine technische Wirkung erzielt wird. Außerdem wird geprüft, ob die Ansprüche hinreichend klar sind und die nötige Stütze in der Beschreibung finden.

Recherche

Nach bestandener Formalprüfung wird für eine französische Patentanmeldung eine Recherche durchgeführt, um den Stand der Technik aufzudecken.

Für eine französische Patentanmeldung, die keine Priorität in Anspruch nimmt, führt das Europäische Patentamt eine Recheche im Auftrag des Französischen Patentamts durch - im Wege der Amtshilfe gemäß bilateraler Vereinbarungen. Im Anschluss, meist etwa nach neun bis 12 Monaten, erhält der Anmelder einen vorläufigen Recherchebericht.

Dieser ähnelt naturgemäß dem des EPA. Er enthält eine vorläufige Einschätzung, ob die Ansprüche in der eingereichten Form patentfähig sind.

Etwas anders gestaltet sich der Ablauf für eine französische Patentanmeldung, die die Priorität einer ausländischen Anmeldung in Anspruch nimmt, etwa aus Deutschland. Hier fordert das Französische Patentamt den Anmelder nach etwa fünf bis sieben Monaten auf, den Stand der Technik zu übermitteln, der für die prioritätsbegründende ausländische Patentanmeldung recherchiert worden ist. Sofern noch erforderlich, führt das Französische Patentamt danach eine ergänzende Recherche durch. Anschließend übermittelt es den vorläufigen Recherchebeicht an den Anmelder, wie zuvor beschrieben.

Handlungsbedarf besteht, wenn im vorläufigen Recherchebericht Dokumente aus dem Stand der Technik angeführt werden, die vom Französischen Patentamt als neuheitsschädlich angesehen werden oder die nach der Auffassung des Französischen Patentamts die beanspruchte Erfindung nahelegen. Der Patentanmelder ist dann verpflichtet, innerhalb einer Frist von drei Monaten beim Französischen Patentamt eine Stellungnahme zum vorläufigen Recherchebericht einzureichen. Die Frist kann auf Antrag verlängert werden.

Amtliche Veröffentlichung

Wie international üblich, wird die französische Patentanmeldung nach Ablauf von 18 Monaten vom Französischen Patentamt amtlich veröffentlicht. Sofern der vorläufige Recherchebericht zu diesem Zeitpunkt noch nicht verfügbar ist, wird er nachveröffentlicht.

Dritteingabe

Das französische Patentrecht gibt Dritten nach wie vor keine Möglichkeit, im Anschluss an die Patenterteilung Einspruch einzulegen und so eine vergleichsweise preisgünstige amtliche Überprüfung des erteilten Patents herbeizuführen. Daher ist die sog. Dritteingabe eine erwägenswerte Option - gerade auch in Frankreich.

Mit einer solchen Dritteingabe kann sich ein Dritter, etwa ein Konkurrent des Patentanmelders, an das Französische Patentamt wenden, um die anstehende Patenterteilung möglichst zu verhindern. Zu diesem Zweck kann der Dritte einen Schriftsatz beim Französischen Patentamt einreichen. Mit diesem zeigt er auf, warum der bereits recherchierte Stand der Technik keine Patenterteilung zulässt. Zusätzlich oder stattdessen kann er weiteren Stand der Technik in das Patenterteilungsverfahren einführen, auf den der französische Prüfer bisher noch nicht aufmerksam geworden ist.

Unbedingt zu beachten ist allerdings, dass die Dritteingabe in Frankreich streng fristgebunden ist. Sie muss spätestens innerhalb von drei Monaten nach der amtlichen Veröffentlichung der Patentanmeldung beim Französischen Patentamt eingegangen sein. Eine verspätete Dritteingabe wird nicht zu den Akten genommen, sondern ungelesen an den Absender zurückgeschickt. Anders als in Deutschland oder vor dem Europäischen Patentamt werden anonym eingererichte Dritteingaben nicht akzeptiert.

Prüfungsverfahren

Die eigentliche Prüfung der Patentfähigkeit wird durchgeführt auf der Grundlage

  • des vorläufigen Rechercheberichts und des darin genannten Standes der Technik,
  • der eventuell beim Amt eingegangenen Dritteingaben und des darin genannten Standes der Technik,
  • und der Ausführungen und Anspruchsänderungen, die der Anmelder dem Patentamt im Rahmen seiner Stellungnahme zum vorläufigen Recherchebericht unterbreitet hat.


Hierauf aufbauend gibt das Französische Patentamt einen endgültigen Recherchebericht heraus - was gerade in Fällen, in denen das Amt der Stellungnahme des Anmelders zum vorläufigen Recherchebericht nicht beipflichtet, wegen der starken Auslastung des Amts einige Zeit dauern kann. Sofern die Voraussetzungen für eine Patenterteilung vorliegen, fordert es den Patentanmelder gleichzeitig auf, die Erteilungsgebühren und die amtlichen Gebühren für die Druckkosten zu bezahlen. Sobald das geschehen ist, wird das Patent erteilt.

Um das französische Patenterteilungsverfahren verstehen zu können, muss man an dieser Stelle wissen, dass das Französische Patentamt eine Patentanmeldung nur dann zurückweisen kann, wenn den Ansprüchen die Neuheit fehlt.

Hingegen ist das Französische Patentamt nicht berechtigt, die Patenterteilung mit dem Argument zu verweigern, dass die Ansprüche naheliegen und nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen. Daher muss auch für solche Patentanmeldungen, deren Patentansprüche eigentlich nicht erfinderisch sind, von Französischen Patentamt ein Patent erteilt werden. Eventuelle Zweifel an der Patentfähigkeit bzw. der erfinderischen Tätigkeit macht das Französische Patentamt in seinem endgültigen Recherchebericht aktenkundig. Dies, indem solche Dokumente, die für die Beurteilung der Frage nach der erfinderischen Tätigkeit relevant gehalten werden, separat aufgelistet weden.

Eine Korrektur erfolgt dann bei Bedarf in einem anschließenden Patentverletzungsverfahren vor dem zuständigen französischen Zivilgericht. Hier kann der wegen Patentverletzung Beklagte mit einer Widerklage das gegen ihn ins Feld geführte Patent mit der Begründung angreifen, dass dessen Ansprüchen nicht die erforderliche erfinderische Tätigkeit zugrunde liegt.

Auch eine isolierte Nichtigkeitsklage, der kein Angriff wegen Patentverletzung vorausgeht, ist möglich - aber eher seltener üblich.

Taktische Möglichkeiten

Aus den bisherigen Darlegungen erschließt sich, dass eine französische Patentanmeldung bzw. ein französisches Patent ähnliche taktische Möglichkeiten bietet wie das so oft unterschätzte deutsche Gebrauchsmuster:

Wie auch beim deutschen Gebrauchsmuster kann ein Schutzrecht zur Eintragung gebracht werden, das zunächst einen sehr weiten Schutzbereich besitzt. Der diesen weiten Schutzbereich gewährende Hauptanspruch mag nicht rechtsbeständig sein. Das ist aber oft mitnichten ein Nachteil, ganz im Gegenteil.

Wie so oft stehen das französische Patent und das deutsche Gebrauchsmuster meist erst einmal nicht im Fokus des Interesses. Denn die Konkurrenten orientieren sich erfahrungsgemäß vorrangig an dem zur gleichen Patentfamilie gehörenden Europäischen Patent und dem parallelen US-Patent. Von den Konkurrenten werden Lösungen entwickelt, mit denen die im Laufe des in den USA und in Europa vergleichsweise strengen Prüfungsverfahrens oft erheblich eingeschränkten Patente umgangen werden können, die in den USA und vom Europäischen Patentamt erteilt wurden. Das national angemeldete französische Patent und auch das eventuell vorhandende deutsche Gebrauchsmuster fristen dabei im Bewusstsein der Konkurrenz nicht selten erst einmal nur ein Schattendasein.

Die Stunde des französischen Patents und des deutschen Gebrauchsmusters kommt unter Umständen dann, wenn gerichtlich gegen Lösungen vorgegangen werden soll, die das europäische Patent und das US-Patent erfolgreich umgehen. Da der Schutzbereich des französischen Patents und/oder des deutschen Gebrauchsmusters bisher noch nicht oder nicht wesentlich eingeschränkt worden ist, hat der Inhaber dieser Schutzrechte nun die Möglichkeit, die Ansprüche gezielt so einzuschränken, dass sie rechtsbeständig sind und zugleich die Umgehungslösung des Konkurrenten noch erfassen, der verklagt werden soll. Dabei muss diese Einschränkung keineswegs die gleiche Einschränkung sein, die schon zuvor vor dem US-Patentamt und dem Europäischen Patentamt vorgenommen wurde. Ganz im Gegenteil, es steht dem Patentinhaber bzw. Gebrauchsmusterinhaber frei, eine Einschränkung vorzunehmen, die in eine andere Richtung geht und daher die Lösung des Konkurrenten nach wie vor erfasst, obwohl sie das europäische Patent und/oder das US-Patent erfolgreich umgeht. Das gelingt naturgemäß umso eher,  je detailreicher die Patentanmeldung und die Unteransprüche abgefasst sind.

Der Inhaber eines nationalen französischen Patents muss sich zu diesem Zweck nicht gleich in ein kostspieliges Patentverletzungsverfahren verwickeln lassen. Er hat stattdessen die Möglichkeit, sich nun, wo er das Patent für ein Vorgehen gegen einen konkreten Patentverletzer zuschneiden will, an das Französische Patentamt zu wenden. Dort kann er ein von ihm allein initiiertes und betriebenes Patentbeschränkungsverfahren durchführen lassen. So kann er unter Umständen ein Patent an die Hand bekommen, das in einem anschließenden Patentverletzungsverfahren vor einem französischen Zivilgericht dem Gegenangriff des wegen Patentverletzung Beklagten "standhält".