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EU-WEITE GRENZBESCHLAGNAHME AUF GRUNDLAGE  DES EINHEITSPATENTS

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IM FOKUS

04.01.2025: Erlaubt ein EU-Einheitspatent bzw. ein EU-Gemeinschaftspatent einen EU-weiten Grenzbeschlagnahmeantrag?   Lesen Sie, woran es beim EU-Grenzbeschlagnahmeantrag auf der Basis eines EU-Einheitspatents einstweilen scheitert, was der Inhaber des EU-Gemeinschaftspatents zum Zwecke der Grenzbeschlagnahme ersatzweise versuchen kann und welches generelle Problem beim Aufspüren von technischen bzw. patentrechtlichen Plagiaten bei der Grenzbeschlagnahme an den EU-Außengrenzen besteht.

KEINE EU-WEITE GRENZBESCHLAGNAHME AUF BASIS DES EU-EINHEITSPATENTS

Anders, als der verheißungsvolle Name "EU-Einheitspatent" bzw. Einheitspatent es vermuten lässt, ist es nicht möglich auf der Basis eines EU-Einheitspatents einen einheitlichen EU-Grenzbeschlagnahmeantrag zu stellen, also mit einem einzigen Antrag die gesamten EU-Außengrenzen überwachen zu lassen. 

Die rechtlichen Voraussetzungen unter denen ein EU-Grenzbeschlagnahmeantrag gestellt werden kann gibt die VERORDNUNG (EG) Nr. 1383/2003 DES RATES vom 22. Juli 2003 vor. Deren Art. 5 Abs. 4 legt fest, dass ein EU-weit geltender Grenzbeschlagnahmeantrag nur dann gestellt werden kann, wenn der Antragsteller über ein echtes Gemeinschaftsrecht verfügt, wie eine EU-Marke oder ein EU-Geschmacksmuster. 

Das EU-Einheitspatent alias Einheitspatent wird von Art. 5, Abs. 4 der VERORDNUNG  (EG) Nr. 1383/2003 einstweilen nicht erfasst. Denn das EU-Einheitspatent ist bisher kein in der gesamten EU gültiges Recht. Es stellt daher kein echtes Gemeinschaftspatent dar, das mit der Gemeinschaftsmarke und dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster gleichzusetzen ist. 

Das entscheidende Hindernis ist hier die Tatsache, dass das Gemeinschaftspatentübereinkommen (GPÜ) bisher nur von 17 der 27 EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert worden ist, vgl. die EU-Ratifizierungsliste.   

NATIONALE GRENZBESCHLAGNAHME BEIM  EINHEITSPATENT

Das Problem, dass ein EU-Einheitspatent bisher keinen EU-weiten Grenzbeschlagnahmeantrag zulässt, kann man durch nationale Grenzbeschlagnahmeanträge zu kompensieren versuchen - zumindest in der Theorie. 

Der Zeitaufwand für die erstmalige Stellung und die jährliche Erneuerung von 17 Grenzbeschlagnahmeanträgen fällt allerdings spürbar ins Gewicht.

Gut beraten ist wer hier also nicht unreflektiert, quasi "mit der Gießkanne, nationale Grenzbeschlagnahmeanträge stellt, sondern selektiv. Für patentverletzende Produkte, die ihrer Art nach nicht sehr leicht sind oder nicht nur einzeln bestellt werden (z. B. über Alibaba) und dann per Luftfracht ankommen, macht es Sinn den Fokus auf die Länder zu richten, deren internationale Seehäfen sich als Eingangstore zum europäischen Markt anbieten.

DAS PROBLEM BEI JEDER GRENZBSCHLAGNAHME

Das eigentliche Problem bei jedwedem Versuch eine Grenzbeschlagnahme rein technischer Artikel wegen Patentverletzung zu erreichen tut sich an ganz anderer Stelle auf.

Ein Grenzbeschlagnahmeantrag ist oft auch dann, wenn man die fernöstlichen Plagiatoren mit einer Internetrecherche aufspüren und in dem Grenzbeschlagnahmeantrag namhaft machen kann, nur erfolgreich, wenn die Produkte, in denen die Patentverletzung verkörpert ist, gut ins Auge fallen, leicht zu erkennen sind - was bei Markenverletzungen an Turnschuhen sowie 1:1 nachgemachten Designs von Lederhandtaschen und charakteristischen Parfümflakons deutlich einfacher ist, als bei metallenen Funktionsbauteilen, auf denen nicht gerade ein Mercedesstern oder der "BOSCH-Zünder" prangt. 

Das hat zwei Gründe:

Fernöstliche Plagiatoren und gerade solche, die sich z. B. darauf spezialisiert haben mit ihren örtlichen Webseiten ungeniert Ersatzteile für Markenprodukte anzubieten, erwarten mittlerweile, das man sie an den EU-Grenzen namhaft gemacht hat. Sie versende daher größere Lieferungen, etwa einen Container mit bestechend günstigen Ersatzpumpen für hydraulische Schneidwerkzeuge eines Markenherstellers, über spezielle örtliche "Mittelsmänner". An den EU-Außengrenzen werden dann Exportgesellschaften mit dem Container voller Plagiate "vorstellig", die vom Rechteinhaber bisher nicht mit den Plagiaten in Verbindung gebracht werden können. Sie unterlaufen daher die "Verdächtigenliste" des Zolls.   

Der zweite Grund scheint, öfter als erwartet, bisher die mangelnde Ausstattung und Personalkapazität des Zolles zu sein - wie der Verfasser vor einiger Zeit bei einem Ortstermin lernen musste. 

Aus einem Container dessen Ladung als "Reisekoffer" deklariert ist, lassen sich vergleichsweise einfach Stichproben ziehen und mit den beim Zoll für gefälschte Marken-Koffer hinterlegten "Steckbriefen" abgleichen.

Bei pro Stück 55 kg schweren Hydraulikpumpen, die immer zu viert in einer zugenagelten und mit Stahlband umreiften Holzkiste "versammelt" sind und zusammen mit 60 anderen solcher Holzkisten in einen Container gehoben und dann nach Europa verschifft werden, sieht die Realität leider anders aus.

Dem Zoll scheint hier nicht ganz selten schon das nötige Werkzeug zu fehlen um eine Stichprobe ziehen zu können - weil der einzige für die abfertigungszuständige Zöllnergruppe verfügbare Gabelstapler gerade anderweitig im Einsatz ist und auch schweres Werkzeug zum schnellen Öffnen massiver Holzkisten mit mehreren Personen nicht im Überfluss vorhanden ist.