News

DIE RUSSISCHE PATENTANMELDUNG

» Kontakt

IM FOKUS: TECHNISCHE ERFINDUNGEN IN RUSSLAND

Technische Erfindungen können in Russland wahlweise durch ein russisches Patent oder ein russisches Gebrauchsmuster geschützt werden. Der nachfolgende Beitrag gibt einen detaillierten Überblick für all diejenigen, die sich für die Anmeldung eines russischen Patents interessieren und daher über eine Patentanmeldung in Russland nachdenken. Rechtsgrundlage ist der am 1. Januar 2008 in Kraft getretene 4. Teil des russischen Zivilgesetzbuches.  Lesen Sie, worauf bei der Patentanmeldung in Russland zu achten ist.

WELCHE SCHUTZMÖGLICHKEITEN GIBT ES?

PATENTANMELDUNG ODER GEBRAUCHSMUSTERANMELDUNG

Wer seine technische Erfindung in Russland mit einem russischen Erfindungs-Patent oder einem russischen Gebrauchsmuster schützen möchte, der muss eine entsprechende Patentanmeldung oder Gebrauchsmusteranmeldung einreichen.

Wie in Deutschland können zum Schutz ein und derselben Erfindung parallel nebeneinander eine russische Patentanmeldung und eine russische Gebrauchsmusteranmeldung eingereicht werden.

Anders als in Deutschland kann allerdings nur eine der beiden Schutzrechtsanmeldungen zur Eintragung führen. Wenn die russische Patentanmeldung zuerst zum Patent führt, dann ist für die russische Gebrauchsmusteranmeldung kein Raum mehr und umgekehrt.

Was allerdings möglich ist, das ist die Umwandlung einer russischen Patentanmeldung in eine russische Gebrauchsmusteranmeldung.

PROVISORISCHE PATENTANMELDUNG

Die Möglichkeit einer provisorischen Patentanmeldung nach US-Vorbild ist in Russland nicht vorgesehen.

TEILANMELDUNG

Das russische Patentrecht sieht die Möglichkeit der Teilung einer russischen Patentanmeldung vor.

Praktische Bedeutung hat eine Teilanmeldung gerade auch in Russland vor allem dann, wenn zusätzliche Patentansprüche aufgestellt und geschützt werden sollen, die in der bisher in Russland anhängigen Patentanmeldung zwar offenbart sind, aber nicht als solche aufgestellt wurden.

Eine Teilanmeldung kann jederzeit eingereicht werden,

  • bevor die Stammanmeldung zur Erteilung des beantragten russischen Patents geführt hat,
  • oder bevor die Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen die Zurückweisung der Stammanmeldung abgelaufen ist.

Wie üblich, darf der Inhalt der Teilanmeldung nicht über den Umfang der Stammanmeldung hinausgehen.

GEBRAUCHSMUSTERABZWEIGUNG

Die Möglichkeit der Gebrauchsmusterabzweigung nach dem Vorbild des deutschen Gebrauchsmusterrechts, die es dem Anmelder erlaubt, auch noch nachträglich in den Genuss eines zusätzlichen Gebrauchsmusters zu kommen, das flankierend neben seine Patentanmeldung tritt, ist im russischen Patentrecht nicht vorgesehen.

WAS IST BEI DER ANMELDUNG EINES RUSSISCHEN PATENTS ZU BEACHTEN?

DAS ZUSTÄNDIGE AMT

Eine nationale russische Patentanmeldung kann beim Russischen Patentamt eingereicht werden, das gegenüber dem Anmelder unter dem Kürzel ROSPAT auftritt.

Die an die Stelle der früheren UDSSR getretene Russische Föderation ist Mitglied im PCT. Daher kann auch über eine von einem deutschen Anwalt bei der WIPO in Genf eingereichte internationale Patentanmeldung der Grundstein für eine russische Patentanmeldung gelegt werden. Das hat den Vorteil, dass nicht sofort ein russischer Anwalt eingeschaltet werden muss. Auch die Kosten für die Übersetzung ins Russische fallen dann erst später an.

Unbedingt zu beachten ist, dass das russische Patentgesetz zwingend vorschreibt, dass eine in Russland entstandene Erfindung zuerst beim Russischen Patentamt angemeldet werden muss. Damit soll dem Russischen Patentamt Gelegenheit gegeben werden, zu überprüfen, ob die Erfindung nationale Sicherheitsinteressen betrifft. Ist das der Fall, dann muss die amtliche Anordnung ergehen, dass nur die Erteilung eines nationalen Geheimpatents in Frage kommt. Die Frist, innerhalb derer ROSPAT eine solche Anordnung treffen muss, beträgt 6 Monate ab dem Anmeldetag. Danach muss ROSPAT die russische Patentanmeldung zur Nachanmeldung in anderen Ländern freigeben. Die Frist kann in dringenden Fällen auf Antrag verkürzt werden.

Praktisch relevant ist diese Regelung für westliche Unternehmen vor allem dann, wenn aus der Zusammenarbeit mit einem russischen Hochschulinstitut oder einem russischen Joint-Venture-Partner eine Gemeinschaftserfindung hervorgegangen ist.

Erwähnenswert ist, dass man der Verpflichtung zur Erstanmeldung einer „russischen Erfindung“ beim ROSPAT auch im Rahmen einer internationalen Patentanmeldung bzw. PCT-Anmeldung nachkommen kann. Allerdings muss die internationale Patentanmeldung dann beim russischen ROSPAT als Anmeldeamt eingereicht werden. Das setzt voraus, dass der Anmelder oder zumindest einer der mehreren Anmelder seinen Sitz in Russland hat. Dadurch wird ROSPAT dann auch zur internationalen Recherchebehörde. Infolgedessen wird ROSPAT dafür zuständig, als von der WIPO beauftragtes Amt die Recherche für die internationale Patentanmeldung durchzuführen. Diese Recherche vermittelt den ersten Eindruck darüber, welcher Stand der Technik am Anmeldetag bekannt war und wie die Chancen auf Patenterteilung vorläufig stehen. Sollte diese Recherche wegen des geringeren Fallaufkommens weniger zuverlässig sein als diejenige der großen Patentämter wie EPA, KIPO oder USPTO, dann entsteht zunächst ein zu optimistischer Eindruck von den Erteilungschancen. Dieser falsche Eindruck bringt dem Anmelder allerdings nichts: Denn später, nach der Nationalisierung, stellen die mit der Patentanmeldung betrauten Patentämter, wie EPO, KIPO, JPO oder USPTO, eigene, ergänzende Patentrecherchen an.

VERTRETERZWANG

Natürliche oder juristische Personen, die keinen Wohnsitz oder Geschäftssitz in Russland haben, müssen bei Einreichung einer russischen Patentanmeldung beim Russischen Patentamt ROSPAT  (im Falle einer Direktanmeldung) oder im Zuge der Nationalisierung in Russland (im Falle einer internationale Patentanmeldung) einen beim Russischen Patentamt zugelassenen Vertreter bestellen, der sie in Patentangelegenheiten dort vertritt.

Der Vertreter sollte mit einer schriftlichen Vollmacht ausgestattet werden, die meisten Vertreter bestehen hierauf. Die Vollmacht muss nicht notariell beglaubigt werden. Sie bedarf auch keiner Legalisierung. Im Regelfall genügt es sogar, den russischen Vertreter mit dem PDF-Scan des noch beim Anmelder befindlichen Originals der Vollmacht auszustatten.

Zwingend erforderlich ist die Vorlage einer Vollmacht nur dann, wenn das vom ROSPAT verlangt wird, was dann der Fall ist, wenn objektive Anhaltspunkte bestehen, die Zweifel an der ordnungsgemäßen Bevollmächtigung aufkommen lassen.

SPRACHENREGELUNG

Der tunlichst unter Verwendung des amtlichen Formulars bei ROSPAT einzureichende Antrag auf Patenterteilung muss in Russisch gestellt werden. Andere mit der Anmeldung zusammenhängende Unterlagen, also auch die Beschreibung und die Patentansprüche, können in Russisch oder einer anderen Sprache eingereicht werden. Im letzteren Fall muss der Anmeldung eine russische Übersetzung beigefügt werden. Geschieht dies nicht, wird der Anmelder aufgefordert, innerhalb von zwei Monaten eine russische Übersetzung einzureichen.

Die Verfahrenssprache, auf der das durch die Einreichung der russischen Patentanmeldung in Gang gesetzte Prüfungsverfahren abläuft, ist, wie üblich, die nationale Amtssprache, also Russisch.

FRISTEN

Die Frist für die Nationalisierung einer internationalen Patentanmeldung in Russland beträgt 31 Monate ab dem Prioritätstag.

Die Prioritätsfrist für nationale, nicht über die PCT-Schiene eingereichte russische Nachanmeldungen beträgt wie unter der PVÜ üblich 12 Monate ab dem Anmeldetag der Erstanmeldung. Eine beglaubigte Abschrift der Prioritätsunterlage ist innerhalb von 16 Monaten nach dem frühesten Prioritätstag einzureichen. Einer Übersetzung des Prioritätsbeleges ins Russische bedarf es nur auf Anforderung des Patentamts.

Anders als in fast allen anderen Ländern der Welt lässt das russische Recht die Wiedereinsetzung in eine versäumte Prioritätsfrist zu. Die Wiedereinsetzung muss unmittelbar nach dem Versäumen in die Prioritätsfrist beantragt werden. Dabei muss dargelegt werden, dass der Anmelder unverschuldet daran gehindert war, die Prioritätsfrist einzuhalten. Erfahrungsgemäß werden an eine solche Darlegung hohe Anforderungen gestellt, die Wiedereinsetzung in eine versäumte Prioritätsfrist wird daher auch in Russland eher die Ausnahme als die Regel sein.

Ähnlich wie das deutsche und europäische Patentrecht kennt auch das russische Patentrecht die sogenannte „innere Priorität“. Somit kann eine russische Patentanmeldung innerhalb von 12 Monaten nach der ersten Patentanmeldung nicht nur dann den Zeitrang dieser ersten Patentanmeldung beanspruchen, wenn es sich um eine ausländische Patentanmeldung handelt, sondern auch dann, wenn auch schon die erste Patentanmeldung eine russische Patentanmeldung war.

Zu beachten ist, dass sich die Dinge – abweichend vom europäischen Patentrecht - so verhalten, dass eine russische Erstanmeldung, deren innere Priorität durch eine nachfolgende russische Patentanmeldung in Anspruch genommen wird, im Regelfall als zurückgenommen gilt.

WAS MUSS BEI DER FORMULIERUNG DER RUSSISCHEN PATENTANMELDUNG INHALTLICH BEACHTET WERDEN?

INHALTLICHE MINDESTANFORDERUNGEN

Um einen Anmeldetag zuerkannt bekommen zu können, muss eine nationale russische Patentanmeldung entsprechend der internationalen Gepflogenheiten zumindest

  • einen Antrag auf Erteilung eines Patents,
  • eine Beschreibung der Erfindung,
  • und die Zeichnungen, die in der Beschreibung erwähnt sind,

umfassen.

MÖGLICHE ANSPRUCHSARTEN

Unter dem Regime des russischen Patentrechts hat der Anmelder die Wahl zwischen

  • Vorrichtungsansprüchen,
  • Verfahrensansprüchen
  • und Verwendungsansprüchen,

letztere ähnlich, wie sie im deutschen Patentrecht gebräuchlich sind.

Es wird Schutz für die zweite medizinische Verwendung gewährt. Dementsprechend sind „Swiss Type Claims“ möglich.

Bei der Formulierung der Patentansprüche ist eine russische Besonderheit zu beachten. Anders als in Deutschland und unter dem Europäischen Patentübereinkommen sind auch chirurgische und therapeutische Verfahren sowie medizinische Diagnoseverfahren dem Patentschutz zugänglich. Ein gerne hierfür genanntes Beispiel ist z. B. das russische Patent Nr. 2 012 236 C1 „Verfahren zum Legen von Infusionen“.

Bei der Aufstellung der Patentansprüche sollte in jedem Fall, unabhängig von der Anspruchsart, darauf geachtet werden, dass die Unteransprüche von vornherein so abgefasst sind, dass unzulässige „multiple dependencies“ vermieden werden, der Praktiker weiß, worauf er zu achten hat.

KEIN PATENTSCHUTZ FÜR COMPUTERPROGRAMME ALS SOLCHE

Computerprogramme als solche sind in Russland nicht patentierbar, hierauf gerichtete russische Patentanmeldungen bleiben erfolglos. Der Grund hierfür ist, dass Computerprogrammen als solchen in Russland der technische Charakter abgesprochen wird, den Artikel 1350 des russischen Zivilgesetzbuchs zur Patentierbarkeitsvoraussetzung erklärt.

Dieser Ansatz ist auch vom deutschen und europäischen Patentrecht her bekannt. Daher ist nicht verwunderlich, dass auch die Lösung für dieses Problem der in Deutschland ähnelt:

Technische Lösungen, die (nur) im Zusammenhang mit Computerprogrammen zum Einsatz kommen, wie beispielsweise neuartige Datenkompressionsverfahren oder spezielle Verfahren zur Erhöhung der Arbeitstaktzahl eines Prozessors oder der Frequenz eines Bussystems, müssen unter sorgfältiger Herausarbeitung des von ihnen gelösten technischen Problems und unter Darlegung des technischen Charakters des Lösungsmittels zum Gegenstand einer russischen Patentanmeldung gemacht werden.

WEITERE GEBIETE, DIE IN RUSSLAND VON DER PATENTIERUNG AUSDESCHLOSSEN SIND

Darüber hinaus werden in Russland, ebenfalls ähnlich wie in Deutschland, laut Artikel 1349 und 1350 des Russischen Zivilgesetzbuches keine Patente für Erfindungen erteilt, die den nachfolgend aufgelisteten Charakter aufweisen:

  • Verfahren zum Klonen von Menschen
  • Verwendung menschlicher Embryonen zu industriellen und kommerziellen Zwecken
  • sonstige zur Patentierung vorgeschlagene Erfindungen, die dem öffentlichen Interesse sowie den Grundsätzen der Menschlichkeit und der Moral zuwiderlaufen
  • Entdeckungen, d. h. die Aufdeckung naturgegebener Gesetzmäßigkeiten, wie sie z. B. die Einstein’sche Relativitätstheorie in Gestalt der „Raum-und-Zeit-Abhängigkeit“ beschreibt
  • Wissenschaftliche Theorien und mathematische Methoden
  • zur Patentierung vorgeschlagene Erfindungen, die ausschließlich das äußere Erscheinungsbild von Produktionserzeugnissen betreffen und ästhetische Erfordernisse erfüllen sollen
  • Regeln und Verfahren für Spiele sowie für gedankliche oder geschäftliche Tätigkeiten
  • Ideen zur Präsentation von Informationen
  •  Pflanzensorten oder Tierrassen sowie biologische Verfahren zu deren Züchtung, d. h. reine Kreuzungs- und Selektionsverfahren, ausgenommen mikrobiologische Verfahren und Erzeugnisse, die mittels solcher Verfahren zustande gekommen sind
  • Layout-Designs (Topografien) integrierter Schaltkreise

KLARHEIT

Bei einer russischen oder auch zur Weiterverfolgung in Russland vorgesehenen Anmeldung sollte besonderes Augenmerk auf eine leicht verständliche Beschreibung der Erfindung und der Ansprüche gelegt werden. Erfahrungsgemäß kommt es sonst gerade in Russland recht häufig zu der Beanstandung, dass es der Patentanmeldung an der nötigen Klarheit fehle oder die Erfindung nicht ausführbar sei.

KEINE IDS-PFLICHT

Anders als in den USA ist der Anmelder nicht verpflichtet, den ihm bekannten, möglicherweise für die Frage der Erteilbarkeit des Patents relevanten Stand der Technik dem Patentamt mitzuteilen.

WIE LÄUFT DAS RUSSISCHE PRÜFUNGSVERFAHREN AB?

Wenn der Anmelder für seine russische Patentanmeldung sofort bei der Einreichung Prüfungsantrag stellt, dann dauert das Prüfungsverfahren bis zu seinem Abschluss mit der Erteilung des beantragten russischen Patents oder der Zurückweisung des Erteilungsantrags im Durchschnitt 2,5 bis 5 Jahre. Dieser Zeitraum lässt sich in vielen Fällen durch einen Antrag auf Teilnahme am PPH-Programm um ca. 30% bis 50%  verkürzen.

Im Einzelnen läuft das Prüfungsverfahren so ab, wie nachfolgend geschildert.

ZUERST DIE FORMALPRÜFUNG...

Die Formalprüfung, ob die russische Patentanmeldung allen Formvorschriften genügt, wird von Amts wegen etwa 2 bis 3 Monate nach der Einreichung der Patentanmeldung geprüft, sobald die Anmeldeunterlagen komplett sind. Ein wichtiger Prüfungspunkt, der häufig zu Beanstandungen führt, ist dabei die Prüfung, ob die Unteransprüche unzulässige „multiple dependencies“ aufweisen, d. h. Rückbezüge auf mehr als nur einen der vorhergehenden Ansprüche. Nach etwa zwei bis drei Monaten ergeht ein Amtsbescheid, der entweder bestätigt, dass die Formalprüfung erfolgreich abgeschlossen wurde, oder Defizite aufzeigt und eine Frist zu deren Behebung setzt.

Schon in diesem frühen Stadium kann beim Russischen Patentamt eine vorzeitige Offenlegung der Patentanmeldung vor dem Ablauf der regulären 18-monatigen Offenlegungsfrist beantragt werden. Eine hierdurch erwirkte, frühzeitige Veröffentlichung der Anmeldung lässt in gewissem Umfang einen vorläufigen Schutz der Erfindung entstehen, vorbehaltlich der späteren Patenterteilung.

...DANN DIE MATERIELLE PRÜFUNG (SACHPRÜFUNG)

Die Sachprüfung, ob der Gegenstand der russischen Patentanmeldung

  • unter einen der gesetzlichen Patentierungsausschlüsse fällt,
  • ob die gewerbliche Anwendbarkeit zu bejahen ist,
  • ob der Hauptanspruch klar ist
  • und ob sein Gegenstand neu und erfinderisch ist,

wird nur auf Antrag durchgeführt. Der Anmelder muss also Prüfungsantrag stellen und die amtliche Prüfungsgebühr einzahlen, um die amtliche Sachprüfung in Gang zu setzen. Das kann er gleich bei der Einreichung der russischen Patentanmeldung tun. Geschieht das nicht, kann der Prüfungsantrag innerhalb einer Frist von drei Jahren ab dem Anmeldetag der russischen Patentanmeldung nachgeholt werden. Wird hiervon kein Gebrauch gemacht, verfällt die Patentanmeldung.

Erfüllt die Erfindung die Voraussetzungen der Patentierbarkeit, wird der Erteilungsbeschluss erlassen. Nun müssen die Erteilungsgebühr und die dritte Jahresgebühr sowie eventuelle weitere Jahresgebühren, die inzwischen schon fällig geworden sind, beim Russischen Patentamt eingezahlt warden. Sobald das geschehen ist, wird der Erteilungsbeschluss wirksam und das Patent wird im Amtsblatt des Russischen Patentamts veröffentlicht. Die Frist für die Zahlung der vorgeschriebenen Gebühren beträgt 2 Monate ab dem Datum des Erlasses des Erteilungsbeschlusses.

Das russische Patentgesetz weicht an einigen für die Sachprüfung entscheidenden Punkten von den Maßstäben der Patentgesetze anderer Länder ab. Diese Punkte, die nachfolgend grob zusammengefasst werden, sollte man kennen.

 

BESONDERHEITEN IM RUSSISCHEN PRÜFUNGSVERFAHREN

BESONDERHEITEN BEI DER PRÜFUNG DER NEUHHEIT

Bei der Prüfung der Neuheit wendet das russische Patentgesetz im Großen und Ganzen die international üblichen Maßstäbe an.

Eine wichtige Besonderheit bildet allerdings die Tatsache, dass das russische Patentgesetz auch zu Gunsten von Patentanmeldungen eine sechsmonatige Neuheitsschonfrist gewährt, wie man sie sonst nur vom deutschen Gebrauchsmusterrecht her kennt. Gleiches gilt für das russische Gebrauchsmuster.

BESONDERHEITEN BEI DER PRÜFUNG DER ERFINDUNGSHÖHE

Die erfinderische Tätigkeit ist nach dem russischen Patentgesetz zu verneinen, wenn ein versierter Fachmann die Erfindung am Prioritäts- oder Anmeldetag unproblematisch aus dem Stand der Technik ableiten konnte. Das liest sich auf den ersten Blick so, wie der vor dem Europäischen Patentamt übliche Maßstab.

Der Praktiker weiß allerdings, dass das Russische Patentamt diesen Maßstab für die erfinderische Tätigkeit oft deutlich niedriger ansetzt als das Europäische Patentamt.

Dadurch kommt es immer wieder dazu, dass schon längst am Markt befindliche Produkte aufgrund relativ kleiner Abwandlungen erneut patentiert werden können. Die Folge ist, dass sich ausländische Patentinhaber häufiger als in anderen Ländern mit Unternehmen vor Ort auseinanderzusetzen haben, die sich minimale Veränderungen patentieren lassen haben und danach Lizenzgebühren verlangen, wenn der Originalhersteller "arglos" die kleine Verbesserung übernimmt - auch wenn es sich dabei vielleicht nur um eine nach westlichen Maßstäben eigentlich naheliegende Anpassung der Maschine an die klimatischen Verhältnisse auf dem russischen Markt handelt.

Es ist also für den Originalhersteller durchaus ratsam, auch kleinere Veränderungen zeitnah in Russland anzumelden, um Fakten zu schaffen.

BESONDERHEITEN BEI DER EINSCHRÄNKUNG DER PATENTANSPRÜCHE

Im Laufe des Prüfungsverfahrens können die Ansprüche eingeschränkt werden, um sie gegenüber zwischenzeitlich aufgedecktem Stand der Technik so abzugrenzen, dass sie patentfähig sind.

Dabei kann auf die ursprünglich eingereichten Unteransprüche zurückgegriffen werden, indem der ursprüngliche Hauptanspruch und ein oder mehrere Unteransprüche zusammengezogen werden, um einen patentfähigen, neuen Hauptanspruch zu bilden.

Darüber hinaus ist es aber auch möglich, ein oder mehrere technische Merkmale in den Hauptanspruch aufzunehmen, die bisher nur in der Beschreibung offenbart sind. Zu bedenken ist dabei, dass die Möglichkeit, einen Patentanspruch durch Rückgriff auf die Beschreibung einzuschränken, nur im Prüfungsverfahren besteht, bis zum Ergehen des Erteilungsbeschlusses. Wird das Patent danach angegriffen und muss der erteilte Patentanspruch daraufhin weiter eingeschränkt werden, dann kann die Einschränkung nun nur noch durch das Zusammenziehen des Patentanspruchs bzw. Hauptanspruchs mit einem oder mehreren Unteransprüchen erfolgen.

Hier tut sich also eine „Falle“ auf, an die schon im Erteilungsverfahren gedacht werden muss und die gerne übersehen wird.

BETEILIGUNG DES KONKURRENTEN AM PRÜFUNGSVERFAHREN

Konkurrenten, die Interesse daran haben, dass möglichst keine oder nur eine eingeschränkte Erteilung des beantragten Patents erfolgt, können durch Einreichung einer sogenannten Eingabe Dritter (Third Party Observation oder kurz TPO) Einfluss auf das Prüfungsverfahren zu nehmen versuchen – etwa indem dem Prüfer ihm bisher verborgen gebliebener Stand der Technik vorgelegt wird oder er darauf hingewiesen wird, dass bestimmte Argumente unzutreffend sind, mit denen der Patentanmelder die bisherigen Einwände des Prüfers gegen die Patentfähigkeit zu entkräften versucht.

WAS MUSS NACH DER PATENTERTEILUNG BEACHTET WERDEN?

JAHRESGEBÜHREN

Im Anschluss an die Patenterteilung muss auf die fristgerechte Entrichtung der Jahresgebühren geachtet werden. Die Jahresgebühr für das jeweils kommende Jahr muss im Voraus bis zu dem Tag entrichtet werden, an dem sich der Anmeldetag erneut jährt. Wird diese Frist versäumt, kann die überfällige Jahresgebühr innerhalb von 6 Monaten nach Fristablauf unter Zahlung eines Zuschlags von 50% nachentrichtet werden.

BENUTZUNGSZWANG

Anders als die meisten anderen nationalen Patentgesetze sieht das russische Patentrecht einen Benutzungszwang vor.

Wird die geschützte Erfindung nicht binnen drei Jahren nach der Erteilung des russischen Patents in hinreichendem Umfang in Russland in Benutzung genommen, können Wettbewerber die Einräumung von Zwangslizenzen verlangen.

POSITIVES BENUTZUNGSRECHT

Bis in das Jahr 2014 hinein gewährte ein russisches Patent ein weitreichendes positives Benutzungsrecht und zwar gerade auch gegenüber älteren mit Wirkung für Russland erteilten Patenten.

Nachdem die erfinderische Tätigkeit in Russland tendenziell weniger streng geprüft wird als in anderen Ländern, ergab sich hieraus eine sehr elegante Möglichkeit, ältere russische Patente der Konkurrenz zu umgehen: Gerade viele russische Unternehmen meldeten ihre leicht abgewandelte Kopie der Lösung des Konkurrenten ihrerseits zum Patent an und erhielten de facto "einen Persilschein" für den russischen Markt, sobald das dort angemeldete Patent erteilt worden war. Dieser "Persilschein" ließ sich nur dann beseitigen, wenn es dem Inhaber des älteren Patents gelang, das jüngere Patent nichtig zu klagen.

Dieser Praxis hat der russische Gesetzgeber inzwischen ein Ende bereitet. Seit der Patentrechtsnovelle von 2014 wird durch den neuen Art. 1358.1, Abs. 2 ausdrücklich vorgeschrieben, dass der Inhaber eines abhängigen russischen Patentes seine Erfindung nicht nutzen darf, solange er dafür keine Genehmigung vom Inhaber des älteren russischen Patentes erhalten hat, das zur Ausübung der Lehre des abhängigen Patents benutzt werden muss.

Derzeit fraglich ist allerdings, wie mit Altfällen umgegangen wird, das heißt mit abhängigen Patenten, die schon vor dem Inkrafttreten der Patentrechtsnovelle 2014 erteilt worden sind. Hier herrscht in der russischen Rechtsprechung die Tendenz vor, Altfälle nach wie vor nach altem Recht zu beurteilen, auch wenn es um Verletzungshandlungen geht, die erst nach dem Jahr 2014 begangen wurden.

Allerdings hat der russische Gesetzgeber an dieser Stelle eine Hintertür offen gehalten, damit zumindest in dringenden Fällen eine Blockade der heimischen Wirtschaft verhindert werden kann:

Die Hürde für die Erteilung einer Zwangslizenz wird vom russischen Patentgesetz recht niedrig angesetzt: Eine Zwangslizenz kann schon dann erteilt werden , wenn es dem Inhaber des abhängigen Patentes gelingt, nachzuweisen, dass seine Erfindung „eine wichtige technische Errungenschaft" darstellt und wesentliche ökonomische Vorteile gegenüber der Erfindung aufweist, die das ältere Patent schützt.