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BGH I ZR 77/59 - "Krankenwagen II"

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Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 20.09.1960

Aktenzeichen I ZR 77/59

Stichwort "Krankenwagen II"

 

Leitsatz

Auch bei einem "für jeden Fall der Zuwiderhandlung" gegen eine Unterlassungspflicht abgegebenen Strafversprechen ist, sofern die Auslegung nichts Gegenteiliges ergibt, die Zusammenfassung mehrerer gleichartiger Einzelhandlungen zu einem Fall der Zuwiderhandlung möglich. Hierbei ist der strafrechtliche Begriff des Fortsetzungszusammenhanges nicht schlechthin maßgebend und deshalb eine Zusammenfassung auch fahrlässig begangener Handlungen statthaft.


Tatbestand

Die Parteien stehen auf dem Gebiet des Kranken- und Leichenwagenbaues miteinander im Wettbewerb.

In einem zwischen den Parteien vor dem LG Düsseldorf geführten Rechtsstreit hat die Bekl. in der mündlichen Verhandlung als Kl. folgende Erklärung abgegeben:

Die Kl. verpflichtet sich hiermit, bei Vermeidung einer Vertragsstrafe von 1.000,- DM für jeden Fall der Zuwiderhandlung es zu unterlassen, in schriftlichen oder mündlichen Angeboten, in geschäftlichen Drucksachen, insbesondere Prospekten, Preislisten oder Zeichnungen über Krankenwagen oder Leichenwagenaufbauten oder über Einrichtungs- und Zubehörgegenstände hierfür den Hinweis "DPa" (Anmerkung: Das Kürzel „DPa“ steht für „als deutsches Patent angemeldet“) zu verwenden.

Die Bekl. hat auf einer Automobil-Ausstellung in Genf vom 14. bis 27. März 1957 etwa 100 Prospekte in deutscher, englischer und französischer Sprache verteilt, in denen die Bezeichnung "DPa" nicht überstempelt worden war. Sie hat ferner in der Zeit vom 4. Dezember 1956 bis 31. Mai 1957 83 Angebotsschreiben für den Mercedes-Benz-Krankenkraftwagen und 16 Angebotsschreiben für den Unimog S-Krankenwagen mit Werbeschriften versehen, in denen die Bezeichnung "DPa" stehengeblieben war; es handelte sich dabei um eine Preisliste, eine Zeichnung im Maßstab 1:20 und eine Werbeschrift.

Die Kl. ist der Auffassung, dass die Vertragsstrafe von 1.000,- DM 199-fach verwirkt sei, und forderte mit der vorliegenden Klage zunächst einen Teilbetrag von 25.000,- DM abzüglich eines durch Aufrechnung getilgten Teilbetrags von 460,40 DM. Die Bekl. ist der Auffassung, die Vertragsstrafe sei nur einmal verfallen.

Das LG hat sich dem Standpunkt des Kl. im Grundsatz angeschlossen, aber den Einwand unzulässiger Rechtsausübung durchgreifen lassen, soweit die Strafen insgesamt 20.000,- DM übersteigen. Es hat die Bekl. deshalb unter Berücksichtigung des aufgerechneten Teilbetrags zur Zahlung von 19.539,60 DM verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen.

Mit den hiergegen erhobenen Berufungen haben beantragt:

a)  die Kl., ihr weitere 7.000,- DM zuzusprechen,

b)  die Bekl., die Klage in Höhe des 539,60 DM übersteigenden Betrags abzuweisen.

Das OLG hat unter Zurückweisung der Berufung der Kl. und Abweisung der weitergehenden Klage die Bekl. zur Zahlung von nur 5.539,60 DM verurteilt.

Die Revision der Kl. wurde zurückgewiesen


Entscheidungsgründe

I. Das Strafgedinge ist "für jeden Fall der Zuwiderhandlung" gegen die im Vertrag begründete Unterlassungspflicht vereinbart. Das BerG meint, dieser Fassung könne nur derselbe Inhalt beigemessen werden, den sie in § 890 ZPO habe, mit dessen Wortlaut sie insoweit übereinstimme. Zu einem anderen Ergebnis könne man nur kommen, wenn die Verpflichtungserklärung irgendeinen "Passus" enthalte, der den Willen zu einer weitergehenden Verpflichtung erkennen ließe; das sei aber nicht der Fall, zumal eine Vertragsstrafe von 1.000,- DM bei einem Tatbestand der hier vorliegenden Art regelmäßig eine weit stärkere Belastung des Schuldners darstelle, als sie bei Anwendung des § 890 ZPO bestehen würde. Von diesem Ausgangspunkt und der in der Rechtsprechung der Instanzgerichte herrschenden Auffassung aus, dass die Festsetzung der Beugestrafe nach strafrechtlichen Gesichtspunkten vorzunehmen sei, schließt das BerG weiter, dass deshalb auch im vorliegenden Fall strafrechtliche Grundsätze auf das Strafversprechen anzuwenden seien; daraus ergebe sich, dass die 199 Fälle rechtlich zu 6 fortgesetzten Handlungen zusammenzufassen seien, zumal die Bekl. nur fahrlässig gehandelt habe. Würde sie dagegen das Verbot bewusst missachtet haben, so könnte ihr die Vergünstigung der Annahme fortgesetzter Handlungen vielleicht nicht zuteil werden.

In einer Hilfsbegründung führt das BerG sodann aus, es könne auch bei Verneinung fortgesetzter Handlungen nicht zu einer weitergehenden Verurteilung der Bekl. gelangen, da durch einen Betrag von 6.000,- DM der mögliche Schaden der Kl. sicherlich gedeckt und auch der mit der Vertragsstrafe verfolgte Sicherungszweck erfüllt sei. Die Forderung einer darüber hinausgehenden Vertragsstrafe verstoße deshalb, obwohl die Parteien Kaufleute seien, gegen § 242 BGB.

Die Revision sieht dagegen gerade in dem Wortlaut des Strafgedinges (d. h. des Vertragsstrafeversprechens) einen klaren Hinweis auf den Willen der Parteien, die Zusammenfassung mehrerer Einzelakte zu einer rechtlichen Einheit auszuschließen. Sie verweist weiter darauf, dass die gewählte Fassung entgegen der Annahme des BerG mit der des § 890 ZPO nicht übereinstimme, sowie auf die zwischen der Beugestrafe und der Vertragsstrafe bestehenden rechtlichen Unterschiede. Schließlich meint sie, die Anwendung des Begriffs der fortgesetzten Handlung auf die Vertragsstrafe scheitere hier jedenfalls daran, dass kein Gesamtvorsatz, sondern nur eine fahrlässige Handlungsweise festgestellt sei.

II.  1. Auf den Streit über die Wortfassung kommt es nicht entscheidend an. Zwar weicht der Wortlaut des Vertrags in dem fraglichen Punkt von dem des § 890 ZPO ab. Der Revision ist aber entgegenzuhalten, dass die im Streitfall gewählte Fassung auch bei Unterlassungsurteilen häufig verwendet wird; die Abweichung vom Wortlaut des Gesetzes ist überdies zu geringfügig, als dass aus ihr allein auf einen abweichenden Willen der Vertragsschließenden geschlossen werden könnte.

Schwerer wiegt schon, dass nach unbefangener Auslegung die hier vorliegende Fassung jedenfalls dann gegen die Möglichkeit der Zusammenfassung mehrerer Einzelakte sprechen kann, wenn sie im Hinblick auf diese Frage bewusst gewählt wurde. So hat in dem in LZ 1911 Sp. 783, 785 mitgeteilten Fall der Berufungsrichter unter Billigung des RG aus der Weigerung des Bekl., auf die hier vorliegende Fassung "für jeden Fall der Zuwiderhandlung" einzugehen, gerade erst geschlossen, dass eine Zusammenfassung zu einer rechtlichen Einheit zulässig sei. Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch an einer Feststellung des BerG, dass beide Parteien mit der erörterten Wortfassung die Zusammenfassung von Einzelakten zu einer rechtlichen Einheit der Zuwiderhandlung hätten ausschließen wollen oder stillschweigend hiervon ausgegangen seien; aus dem Zusammenhang der Gründe ergibt sich vielmehr, dass das BerG vom Fehlen einer solchen übereinstimmenden Vorstellung der Parteien ausgegangen ist. Die Revision rügt nicht, dass die Kl. Gegenteiliges behauptet habe. Es muss deshalb auch im Revisionsverfahren davon ausgegangen werden, dass diese Frage insbesondere auch mündlich bei Vertragsschluss nicht erörtert worden ist.

Es entscheidet deshalb die Auslegung des Vertrags darüber, welcher Sachverhalt eine Vertragsstrafe auslöst.


2.  Diese Auslegung ist dem Tatrichter vorbehalten, soweit es sich nicht um eine Vertragsabrede typischen Inhalts handelt oder die Auslegung auf einem Rechtsverstoß beruht, wie es die Revision hier geltend macht.

Das vorliegende Strafgedinge ist dahin gefasst, dass die Strafe für "jeden Fall der Zuwiderhandlung" verwirkt sei. Durch die Wahl dieser Fassung wird üblicherweise klargestellt, dass nicht der Fall des § 340, sondern der des § 341 BGB gegeben ist, dass also der Anspruch des Gläubigers auf Erfüllung der Hauptverpflichtung neben der Vertragsstrafe bestehen bleiben und der Schuldner durch deren Leistung nicht von der Hauptverpflichtung befreit sein soll (BGB RGRK, 10. Aufl., § 340 Anm. 3 Abs. 2). Hiervon geht auch das BerG ersichtlich aus, so dass seine Auslegung insoweit keinesfalls zu beanstanden ist.

Für die hier zu entscheidene Frage aber, ob der Vertrag dahin auszulegen ist, dass und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen mehrere Einzelhandlungen zu einer rechtlichen, die Vertragsstrafe nur einmal auslösenden Einheit zusammengefasst werden können, kommt es darauf an, was die Parteien unter "einer" Zuwiderhandlung verstanden haben oder - wenn sie diese Frage nicht eindeutig geregelt haben was sie darüber nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte vereinbart haben würden (§ 157 BGB).

Diese Auslegung unterliegt nicht etwa grundsätzlichen Besonderheiten deshalb, weil das Strafgedinge eine Beschränkung der persönlichen Freiheit enthält und deshalb eng auszulegen wäre (so RG vom 6. Oktober 1906, I 38/60); auch für Strafgedinge sind vielmehr die allgemeinen Auslegungsgrundsätze maßgebend, so dass zu ermitteln ist, was unter Berücksichtigung der gesamten Sachlage und der besonderen Umstände des Falles die Willensrichtung der Parteien gewesen ist (RG vom 26. Mai 1908, II 523/07; 1. November 1919, V 178/19; 28. Januar 1919, VII 343/18), und es ist wie bei jeder Vertragsauslegung davon auszugehen, dass ein Ergebnis, das mit den Grundsätzen von Treu und Glauben in Widerspruch steht, nicht als von den Parteien gewollt anzusehen ist (RG vom 18. März 1919, VII 395/18). Die dem Tatrichter vorbehaltene Auslegung hat sich deshalb, wo ein eindeutiger Parteiwille nicht feststellbar ist, nicht so sehr auf die Feststellung hypothetischer subjektiver Vorstellungen der Parteien, als vielmehr auf eine vernünftige Interessenabwägung auf rein objektiver Grundlage zu richten (vgl. BGHZ 19, 110, 112; GRUR 1959, 384 , 387 Postkalender).

Gegen diese Auslegungsgrundsätze hat das BerG jedoch nicht verstoßen, wenn es angenommen hat, den Parteien habe der Begriff der Zuwiderhandlung vorgeschwebt, der bei Anwendung des § 890 ZPO maßgebend gewesen wäre, und wenn es diese Annahme insbesondere darauf gestützt hat, die Bekl. habe sich bei ihrem Strafversprechen an die Fassung des von der Kl. damals gestellten Antrags gehalten. Zwar bestehen, wie die Revision betont, erhebliche Unterschiede zwischen der Rechtsstellung, die Gläubiger und Schuldner bei einem Strafversprechen einerseits und bei einer Verurteilung zur Unterlassung andererseits innehaben: Die Beugestrafe muss der Schuldner ohne Anrechnung auf den Schadensersatzanspruch des Gläubigers zahlen; sie fließt in die Staatskasse, stellt den Schuldner daher mindestens möglicherweise schlechter als die Vertragsstrafe. Die Beugestrafe ist, soweit sie in Geld festgesetzt wird, der Höhe nach unbeschränkt, so dass sie bei Fortsetzungszusammenhang entsprechend hoch ausfallen kann; die Vertragsstrafe dagegen steht der Höhe nach fest. Sie soll im Gegensatz zur Beugestrafe nicht nur durch Abschreckung des Schuldners dem Bedürfnis des Gläubigers nach Sicherstellung gegen künftige Zuwiderhandlungen dienen, sondern diesem auch eine Schadloshaltung in erleichterter Form bieten; sie setzt den Eintritt eines Vermögensschadens nicht voraus und enthebt den Gläubiger mindestens des Nachweises eines Verschuldens des Schuldners. Besonders der letztgenannte Grund unterscheidet die Vertragsstrafe von der Beugestrafe, die dem Gläubiger keinen Ersatz seines Schadens verschafft. Auch ist bei der Beugestrafe die Zusammenfassung mehrerer Einzelakte zu einer rechtlichen Einheit ohne weiteres tragbar, weil sie als Geldstrafe in unbeschränkter Höhe verhängt werden kann.

Es ist jedoch kein Anhaltspunkt dafür gegeben, dass das BerG diese Unterschiede bei seiner Auslegung unbeachtet gelassen habe. Es hat vielmehr erwogen, die Vertragsstrafe sei im vorliegenden Fall ganz erheblich höher vereinbart worden als eine im Rahmen des § 890 ZPO für Zuwiderhandlungen der hier in Betracht kommenden Art festzusetzende Beugestrafe. Ersichtlich geht das BerG davon aus, dass mit Rücksicht auf diese Höhe der Vertragsstrafe der Nachteil habe in Kauf genommen werden sollen, der sich für die Kl. bei Heranziehung der Grundsätze des § 890 ZPO daraus ergeben kann, dass die Vertragsstrafe der Höhe nach nicht unbegrenzt ist. Diese Würdigung widerspricht nicht der allgemeinen Erfahrung, zumal der Kl. damit unbenommen blieb, einen die Vertragsstrafe etwa übersteigenden Schaden gesondert geltend zu machen.


3.  Den hiernach zugrunde zu legenden Begriff der Zuwiderhandlung fasst das BerG ganz in Anlehnung an den strafrechtlichen Begriff der Tat und insbesondere des Fortsetzungszusammenhangs. Es folgt dabei der herrschenden Auffassung, wonach auf die Beugestrafe des § 890 ZPO im Allgemeinen strafrechtliche Grundsätze anzuwenden sind. Dabei hält es in Bezug auf die Schuldform die Rechtsprechung zum Verbotsirrtum für anwendbar, wonach wegen vorsätzlicher Tat zu bestrafen ist, wer vorsätzlich gehandelt hat und dabei das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit hatte oder bei gehöriger Anspannung des Gewissens haben konnte (BGHSt 2, 194, 209).

Wie die Revision nicht ohne Grund rügt, lässt das Berufungsurteil allerdings mindestens nicht klar erkennen, dass es vorsätzliches Handeln in diesem Sinne als gegeben ansehe, denn es hebt mehrfach abschließend hervor, die Bekl. habe nur fahrlässig gehandelt, und bemerkt an einer Stelle, dass es bei einem bewussten Verstoss gegen die Unterlassungspflicht nicht gerechtfertigt gewesen wäre, Fortsetzungszusammenhang anzunehmen.

Die Revision sieht hierin Verstöße gegen die von ihr zwar hier abgelehnten, vom BerG aber herangezogenen strafrechtlichen Grundsätze, besonders gegen die Rechtsprechung, nach der ein Fortsetzungszusammenhang bei fahrlässigen Taten ausgeschlossen ist (LM Vorb. Nr. 4 zu § 73 StGB). Es kann jedoch auf sich beruhen, ob diese Rüge berechtigt ist und ob es sich bei dem Irrtum des Schuldners über Umfang oder Tragweite einer von ihm abgegebenen Verpflichtungserklärung um einen vom Gewissen her beherrschbaren Verbotsirrtum oder nicht vielmehr um einen Tatirrtum nach § 59 StGB handelt. Denn die allzu enge Anlehnung an diese strafrechtlichen Begriffe entspricht weder dem Zweck des § 890 ZPO noch vor allem einer vernünftigen Vertragsauslegung.

Das BerG ist denn auch, wie seine weiteren Ausführungen ergeben, selbst nicht hierbei stehen geblieben, hat vielmehr gerade für den strafrechtlich zweifelsfreien Fall eines bewussten Verstoßes erwogen, die Rechtswohltat einer Zusammenfassung mehrerer Einzelhandlungen zu einer Fortsetzungstat zu versagen. Ähnlich ist im Schrifttum mit Entschiedenheit gefordert worden, mehrere gleichförmige Einzelhandlungen im Interesse der Gerechtigkeit gerade auch dann zusammenzufassen, wenn der Pflicht nur fahrlässig zuwidergehandelt wurde (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 8. Aufl., Einl. UWG Anm. 209).

Dieser Auffassung ist beizutreten.

Der strafrechtliche Begriff des Fortsetzungszusammenhangs ist ein sog. normativer Begriff, d. h. eine Denkform, die auf bestimmte Normen zugeschnitten ist und ihren Inhalt aus ihnen empfängt. Der Begriff verdankt seine Entstehung dem früher geltenden System der Strafenhäufung (Jagusch in LK Vorb. B III 2 f vor § 73) und diente zunächst dem Bedürfnis, den Täter vor unangemessen hohen Strafen zu bewahren, später auch dem nach Vereinfachung des Strafverfahrens. Die Übernahme dieses Begriffs in das bürgerliche Recht kann deshalb zwar nicht schlechthin damit abgelehnt werden, es handele sich um ein "künstliches", nur für die Zwecke des Strafrechts geschaffenes und taugliches Gebilde (so RGZ 134, 335, 3392 ). Als normativer Begriff kann er auf ein anderes Rechtsgebiet aber auch nicht ohne weiteres übertragen werden. Wenn es unter Berücksichtigung des Strafzwecks bei der öffentlichen Strafe geboten ist, eine Anzahl der in einem Gesamtverhalten enthaltenen Rechtsverletzungen zu einer Einheit zusammenzufassen, so folgt daraus noch nicht zwingend oder "logischerweise (so RG, SeuffArch Bd. 87 Nr. 184), dass dies bei der Vertragsstrafe ebenso sein müsse. Denn diese soll nicht schuldhaftes Handeln sühnen, sondern ein schutzwürdiges Einzelinteresse gegen eine möglicherweise sogar schuldlose Zuwiderhandlung sichern; sie knüpft daher gar nicht an den Vorsatz des Handelnden, der Grundvoraussetzung für einen Fortsetzungszusammenhang, an.

Auch unter Beachtung der bestehenden Unterschiede ist allerdings kein Zweifel daran möglich, dass mehrere Einzelakte dann zu einer rechtlichen Einheit zusammenzufassen sind und die Strafe nur einmal auslösen, wenn sie eine sog. natürliche Handlungseinheit bilden. Hierbei handelt es sich um einen allgemeinen Rechtsbegriff, der dem der fortgesetzten Handlung vorgeordnet und auf seine Anwendbarkeit im Einzelfall deshalb vorab zu prüfen ist (vgl. für das Strafrecht RGSt 58, 116); er unterscheidet sich von dem des Fortsetzungszusammenhangs durch den engeren Zusammenhang der Einzelakte und die auch Dritten äußerlich erkennbare Zugehörigkeit zu einer Einheit (LK Vorb. B III 2 f zu § 73).

Aber auch der Zusammenfassung von echten Fortsetzungstaten, d. h. solchen, bei denen der Wille des Handelnden von vornherein den Gesamterfolg umfasst und auf dessen "stossweise" Verwirklichung durch mehrere gleichartige Einzelhandlungen gerichtet ist (vgl. BGH in GRUR 1957, 597 , 598 Konservendose II), wie auch von Fällen gleichartiger fahrlässiger Taten, die unter wiederholter Außerachtlassung derselben Pflichtenlage begangen wurden, wie schließlich auch von schuldlos begangenen Handlungen, stehen keine Bedenken entgegen, wenn die Auslegung des Vertrags nach § 157 BGB dies gestattet. Denn der Begriff der fortgesetzten Handlung ist, wie dargelegt, gerade um der Vermeidung unerträglich hoher Strafen willen entwickelt worden. Dieser Gesichtspunkt greift auch bei der Vertragsstrafe durch, wenn sie wegen einer Vielzahl gleichförmiger Einzelakte in ungewöhnlich hoher Zahl verwirkt sein würde. Auch hier entspricht deshalb die Schaffung einer Möglichkeit, Einzelakte zu einer Einheit zusammenzufassen, einem unabweisbaren Bedürfnis. Dem fahrlässig oder schuldlos Handelnden diese Vergünstigung zu versagen, besteht umso weniger Anlass, als beim Strafgedinge im Gegensatz zur öffentlichen Strafe das zu schützende Interesse des Gläubigers im Vordergrund steht, das von der Frage des Verschuldens nicht entscheidend berührt wird. Entgegen der Auffassung der Revision ist deshalb die Zusammenfassung mehrerer fahrlässig begangener Handlungen zu einem Fall der Zuwiderhandlung auch beim Vertragsstrafversprechen möglich.


III.  Von diesem rechtlichen Ausgangspunkt aus kann die vom BerG getroffene Auslegung des vorliegenden Strafgedinges aus Rechtsgründen im Ergebnis nicht beanstandet werden.

Das BerG hat festgestellt, dass die Vertragsstrafe von 1.000,- DM, gemessen an den auf dem Spiel stehenden Interessen der Kl. und bezogen auf die hier in Rede stehende Art der Zuwiderhandlung, recht hoch sei. Der Hinweis auf die relative Höhe der Vertragsstrafe entspricht den oben aufgeführten rechtlichen Erwägungen.

Die Auffassung des BerG, dass Fortsetzungszusammenhang gegeben sei, kann im Einzelnen jedenfalls insoweit nicht beanstandet werden, als sie sich auf die Verteilung von Prospekten auf der Automobilausstellung in Genf bezieht. Hier ist ein besonders naher zeitlicher und örtlicher Zusammenhang der Einzelakte gegeben; es handelt sich auch erkennbar um eine gleichartige Form der Zuwiderhandlung, so dass insoweit möglicherweise sogar eine natürliche Handlungseinheit gegeben ist.

Schwieriger ist die Frage, ob das BerG auch die 99 "Angebotsschreiben" mit Recht zusammengefasst hat. Das RG (Urteil vom 1. März 1930 - I 242/29) hat ausgeführt, bei mehrmaliger Zuwiderhandlung gegen eine Vertragspflicht zu positivem Tun genüge zur Begründung der Annahme einer nur einmaligen Verwirkung der für jeden Fall der Zuwiderhandlung vereinbarten Vertragsstrafe nicht die bloße Feststellung, dass der Entschluss zur Wiederholung für alle Fälle einheitlich gefasst sei. Der Tatrichter wird daher regelmäßig die zusammenzufassenden Handlungen in ihren Grundlagen darlegen müssen, um eine Nachprüfung zu ermöglichen, ob ihre Zusammenfassung gerechtfertigt ist. Das hat das BerG hier unterlassen, weil es den unrichtigen Standpunkt eingenommen hat, die Angebote seien deshalb nicht als besondere Zuwiderhandlungen zu werten, weil nicht in ihnen selbst, sondern in den ihnen beigefügten Werbeschreiben die Bezeichnung "DPa" enthalten gewesen sei. Auf eine solche Darlegung kam es hier jedoch nicht entscheidend an, weil die vom BerG getroffene Auslegung schon durch seine Feststellungen über die wirtschaftliche Bedeutung der Zuwiderhandlungen getragen wird. Es stellt in der Hilfsbegründung entscheidend darauf ab, den Fachmann hätten technische Einzelheiten der angebotenen Kraftwagen interessiert; diese seien ihm durch den versehentlich nicht überstempelten Vermerk "DPa" aber nicht vermittelt worden; durch die erkennbare Überstempelung der dazu gesetzten Nummern sei der Leser überdies darauf aufmerksam gemacht worden, dass es damit eine einschränkende Bewandtnis haben müsse. Die Auffassung des BerG geht demnach ersichtlich dahin, dass der irrtümlich stehen gebliebene Vermerk praktisch keine Bedeutung gehabt habe und dass es ausgeschlossen sei, dass der Kl. dadurch Aufträge entgangen seien.

Diese besonderen Umstände schließen zwar den Verfall einer Vertragsstrafe nicht aus, da diese die Entstehung eines Schadens nicht voraussetzt; sie konnten aber vom BerG ohne Rechtsverstoss im Rahmen einer Auslegung des Strafgedinges nach § 157 BGB herangezogen werden, um die einzelnen Zuwiderhandlungen in der geschehenen Weise zu sechs rechtlichen Einheiten zusammenzufassen. Denn die Zuwiderhandlung der Bekl. erweckt unter den erwähnten Umständen in der Tat weitgehend den Eindruck eines mehr formalen Verstoßes. Die Verhängung einer Vertragsstrafe von insgesamt 6.000,- DM entspricht daher einer den Anforderungen von Treu und Glauben und der Verkehrssitte nicht widerstreitenden Auslegung des Strafgedinges. Ob die vom BerG getroffene Aufspaltung der 199 Einzelakte nach Prospekten in deutscher, französischer und englischer Sprache, nach Zeichnungen, Preislisten und einer besonderen Werbeschrift gerechtfertigt ist, bedarf, da hierdurch allenfalls nur die Bekl. beschwert sein würde, auf die Revision der Kl. hin keiner Erörterung.

 

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