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BGH I ZR 64/00 PRÄZISIONSMESSGERÄTE

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Urteil des Bundesgerichtshofs vom 03.05.2001

Aktenzeichen I ZR 64/00

Stichwort "Präzisionsmessgeräte"

Vorinstanz OLG Frankfurt/Main


Redaktionelle Anmerkung von Rechtsanwalt Dipl.-Ing. M. Misselhorn

Der BGH weist hier zu recht nochmals darauf hin, dass ein Arbeitnehmer, der z. B. als technischer Leiter befugten Zugang zum technischen Know-how, den Konstruktionszeichnungen und den Fertigungsunterlagen  seines Arbeitgebers hatte, das derart erworbene Wissen auch nach Beendigung des Arbeisverhältnisses für sich verwenden darf. Dies gilt aber nur soweit er dieses Know-how als "Erinnerungswissen" mitnimmt. Jeder "Know-how-Transfer" durch Mitnahme von Hardcopies, Datenträgern, betriebsinternen Mustern und dergleichen stellt einen Verstoß gegen §17 UWG dar.

In der Praxis sind der Weiterverwendung betrieblich erworbenen Detail-Wissens also durchaus recht enge Grenzen gesetzt


Tenor

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver­handlung vom 7. November 2002 durch den vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Starck, Prof. Dr. Bornkamm und Pokrant

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 24. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 18. Februar 2000 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zu­rückverwiesen.


Tatbestand

Die Klägerin befaßt sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Präzi­sionsmeßgeräten. Der Beklagte zu 2 (im folgenden: Beklagter) war bis zum 30. Juni 1993 bei der Klägerin als technischer Leiter beschäftigt. Vor seinem Ausscheiden traf er im Februar 1993 mit dem damaligen Produktionsleiter K. der Klägerin eine schriftliche Vereinbarung, ihre Arbeitsverhältnisse bei der Klä­gerin zu kündigen. Weiterhin wurde vereinbart, daß K. - unter finanzieller Be­teiligung an den anfallenden Investitionen - in ein von dem Beklagten oder sei­ner Ehefrau zu gründendes Unternehmen als Betriebsleiter eintreten sollte. Das Ziel dieser Vereinbarung war die Versorgung der Beklagten zu 1, der W. GmbH (jetzt: i.L., im folgenden: W.-GmbH), mit zu den Erzeugnissen der Klägerin kompatiblen Meßmitteln, die Anwerbung hochqualifizierter Mit­arbeiter der Klägerin sowie eine Schwächung der Klägerin, die schließlich zu deren Übernahme durch eine Beteiligungsgruppe führen sollte. Zum dauerhaf­ten Vollzug dieser Vereinbarung kam es indes nicht; neben dem ehemaligen Produktionsleiter K. wurden allerdings noch zwei weitere Mitarbeiter der Klä­gerin für den Beklagten tätig.

Im Frühjahr 1994 erlangte die Klägerin Kenntnis von einer Angebots­übersicht der W.-GmbH. Darin fanden sich Produkte, die die Klägerin für iden­tisch mit eigenen Produkten erachtete. Zum Teil benutzte die W.-GmbH Pro­duktbezeichnungen und Bestellnummern, die denjenigen der Klägerin entspra­chen. In ihrer Angebotsübersicht hielt die W.-GmbH unter anderem fest: "Diese Teile sind ... D. -kompatibel" (wobei D. das Firmenschlagwort der Klägerin ist).

Die Klägerin hat behauptet, die von der W.-GmbH vertriebenen Produkte - Bohrungsmeßdorne und Zubehör - stelle die von der Ehefrau des Beklagten gehaltene "T. " unter dessen Leitung her; sie seien technisch identisch mit ihren, der Klägerin, gleichartigen Produkten. Die Möglichkeit zur Herstellung dieser Erzeugnisse habe sich der Beklagte unter anderem dadurch verschafft, daß er Originalteile der Klägerin habe stehlen lassen. Er habe anhand dieser Teile Produkte der Klägerin nachgebaut und gestohlene Originalteile für seine Fertigung verwendet. Bei zwei Zulieferern habe er Vorprodukte nach Plänen der Klägerin herstellen lassen; ein Zulieferer habe zur Ausführung der Aufträge des Beklagten eine Prüflehre der Klägerin verwendet. Ferner habe der Beklagte - bei der Klägerin nicht weiterverfolgte - Entwicklungspläne eines früheren lei­tenden Mitarbeiters der Klägerin an sich gebracht und darauf aufbauend Er­zeugnisse auf den Markt gebracht. Die W.-GmbH habe sich über den Beklagten eine Vielzahl von Kundenadressen der Klägerin beschafft. Darüber hinaus habe sich der Beklagte anhand von gegenüber der Klägerin erteilten Rechnungen über die Konditionen von Zulieferern informiert.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, das Verhalten des Beklagten erfülle den Tatbestand der §§ 1, 17 Abs. 1 und § 18 UWG. Ihr stehe deshalb ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1 UWG zu. Ferner sei sie berechtigt, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung des Beklagten zu verlangen.


Die Klägerin hat beantragt,

I. 1. den Beklagten zu 2 unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken von der Klägerin hergestellte und vertriebene Produkte herzustellen, herstellen zu lassen, an­zubieten und/oder zu vertreiben:

Bohrungsmeßgeräte der klägerischen Grundtypen "S", "D", "SO-FB", "3 P"

sowie folgendes Zubehör für Bohrungsmeßdorne:

Meßuhrenhalter, elektrische Halter, Tiefenverlängerung, Tiefenanschläge mit und ohne Anschlagsstelzen, Winkel­stücke, Kleinmeßvorrichtungen, Adapter sowie Schwimm­halter;

2. die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin über den Umfang der vorstehend unter I. 1. bezeichneten Handlungen Rech­nung zu legen unter Angabe des erzielten Umsatzes, auf­geschlüsselt nach den mit den einzelnen nachgebauten Bohrungsmeßgeräten und Zubehörteilen unter Angabe des Lieferdatums erzielten Einzelumsätzen;

II. festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner ver­pflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu erstatten, der ihr aus den vorstehend unter I. 1. bezeichneten Handlungen ent­standen ist und künftig entstehen wird.

 

Die Beklagten sind dem entgegengetreten und haben geltend gemacht, die unter Beteiligung der Beklagten hergestellten, von der W.-GmbH vertriebe­nen Geräte seien in wesentlichen Punkten von den Produkten der Klägerin un­terschiedlich aufgebaut. Unabhängig davon sei der Beklagte zu 2 wie jeder an­dere Anbieter auch frei darin, Produkte herzustellen, die mit denjenigen der Klägerin vergleichbar und in ihren Elementen gegen diese austauschbar seien. Er sei der Klägerin schon deshalb nicht zur Unterlassung und Rechnungsle­gung sowie zum Schadensersatz verpflichtet, weil die umstrittenen Produkte im Unternehmen seiner Ehefrau, in dem er selbst nur angestellt gewesen sei, her­gestellt worden seien.

Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Auf die allein von dem Beklagten zu 2 eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht die Kla­ge gegen den Beklagten zu 2 abgewiesen.

Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.


Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat die von der Klägerin geltend gemachten An­sprüche für nicht begründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:

Der Beklagte sei der Klägerin nicht zur Unterlassung verpflichtet. Er habe sich durch die Herstellung und den Vertrieb der im landgerichtlichen Urteil be­zeichneten Grundtypen von Bohrungsmeßgeräten und ihres Zubehörs nicht in sittenwidriger Weise Wettbewerbsvorteile vor der Klägerin verschafft. Die Klä­gerin könne für ihre Produkte keinen Sonderrechtsschutz beanspruchen; deren Nachahmung sei daher grundsätzlich jedem Wettbewerber eröffnet. Die Grenze der Nachahmungsfreiheit sei allerdings häufig überschritten, wenn ein Wettbe­werber die Produkte und Erkenntnisse eines Mitbewerbers sich unmittelbar an­eigne oder sie identisch nachahme. Gerade in einem solchen Fall werde es oft naheliegen, daß der Verkehr vermeidbar über die Herkunft von Produkten ge­täuscht werde und der "Übernehmer" fremde Leistungen wie fremden Ruf schlichtweg ausbeute.

Dem Beklagten könne - auch wenn davon ausgegangen werde, daß ihm die Tätigkeit des von seiner Ehefrau betriebenen Unternehmens als eigene zu­gerechnet werde - nicht vorgeworfen werden, sich im vorgenannten Sinne Pro­dukte der Klägerin unmittelbar angeeignet oder identisch nachgebaut zu haben. Die Klägerin habe - auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. E. - selbst hervorgehoben, "daß es Unterschiede im Design und der Werkstoffwahl gibt".

Eine mögliche "technische Identität" von Produkten der Beklagtenseite mit denen der Klägerin begründe auch nicht unter dem rechtlichen Gesichts­punkt des "sklavischen Nachbaus" den Vorwurf sittenwidrigen Wettbewerbs­handelns. Das gelte selbst dann, wenn unterstellt werde, daß der Beklagte fer­tige Geräte, die geeignet gewesen wären, als Vorlagen für eine Nachahmung zu dienen, bei der Klägerin habe stehlen lassen. Er hätte die Geräte für eine Nachahmung nicht gebraucht, da er als technischer Leiter im Unternehmen der Klägerin maßgeblich an der Entwicklung der Produktlinien der Klägerin beteiligt gewesen sei. Die Benutzung entwendeter Geräte als Vorlagen habe allenfalls zu einer minimalen Ersparnis eigener Entwicklungszeit führen können.

Auch eine zusammenfassende Würdigung aller sonstigen zum Prozeß­stoff gehörenden Umstände lasse das Wettbewerbshandeln des Beklagten - Produktion und Vertrieb der inkriminierten Geräte und Zubehörstücke - nicht sittenwidrig erscheinen.

Mit dem Unterlassungsantrag seien auch die auf Auskunft und Feststel­lung einer Schadensersatzpflicht gerichteten Klageanträge unbegründet.


II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, weil auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststel­lungen noch nicht abschließend über die geltend gemachten Ansprüche ent­schieden werden kann.

1. Mit Erfolg wendet sich die Revision dagegen, daß das Berufungsge­richt einen Anspruch der Klägerin aus § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes verneint hat.

a) Das Berufungsgericht ist im rechtlichen Ansatz zutreffend davon aus­gegangen, daß auch der identische Nachbau fremder nicht (mehr) unter Son­derrechtsschutz stehender technischer Erzeugnisse im Interesse einer techni­schen Fortentwicklung auf der Grundlage und unter Ausnutzung des Standes der Technik grundsätzlich nicht zu beanstanden ist.

Der Nachbau kann aber dann nach § 1 UWG wettbewerbswidrig sein, wenn die Erzeugnisse von wett­bewerblicher Eigenart sind und besondere Umstände hinzutreten, die den Nachbau unlauter erscheinen lassen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 14.12.1995 - I ZR 240/93, GRUR 1996, 210, 211 = WRP 1996, 279 - Vakuumpumpen; Urt. v. 14.1.1999 - I ZR 203/96, GRUR 1999, 751, 752 = WRP 1999, 816 - Gülle-pumpen; Urt. v. 17.6.1999 - I ZR 213/96, GRUR 1999, 1106, 1107 = WRP 1999, 1031 - Rollstuhlnachbau; Urt. v. 8.12.1999 - I ZR 101/97, GRUR 2000, 521, 523 = WRP 2000, 493 - Modulgerüst; Urt. v. 12.7.2001 - I ZR 40/99, GRUR 2002, 86, 89 = WRP 2001, 1294 - Laubhefter; Urt. v. 7.2.2002 - I ZR 289/99, GRUR 2002, 820, 821 = WRP 2002, 1054 - Bremszangen). Zwi­schen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen besteht eine Wechselwirkung. Je größer die wettbewerbliche Eigenart oder je höher der Grad der Übernahme ist, desto geringer sind die Anforderungen an die besonderen Umstände, die die Wettbewerbswidrigkeit begründen (vgl. BGH GRUR 1999, 1106, 1108 - Rollstuhlnachbau; GRUR 2002, 820, 821 f. - Bremszangen).

b) Die Revision beanstandet mit Erfolg, daß das Berufungsgericht den Anspruch aus § 1 UWG - ohne Feststellungen zur wettbewerblichen Eigenart zu treffen - schon daran hat scheitern lassen, daß das Verhalten des Beklagten kein besonderes Unlauterkeitsmerkmal aufweise. Im Streitfall kommt eine Sit­tenwidrigkeit des - für die Revisionsinstanz zu unterstellenden - Nachbaus von wettbewerblich eigenartigen technischen Meßgeräten der Klägerin vor allem unter dem Gesichtspunkt strafbarer Handlungen sowie eines Erschleichens oder eines Vertrauensbruchs in Betracht.

aa) Das Unlauterkeitsmerkmal des Erschleichens ist dadurch gekenn­zeichnet, daß sich der Nachahmer die für die Leistungsübernahme erforderliche Kenntnis vom fremden Vorbild in verwerflicher Weise verschafft (vgl. BGH, Urt. v. 1.7.1960 - I ZR 72/59, GRUR 1961, 40, 42 = WRP 1960, 241 - Wurftaubenpresse). Der Tatbestand des Vertrauensbruchs wird im allgemeinen dadurch erfüllt, daß die Kenntnis im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses zunächst redlich erlangt und sodann durch Leistungsübernahme mißbräuchlich ausge­nutzt wird (vgl. Erdmann in: Festschrift für Vieregge, 1995, 197 ff., 214 m.w.N.).

Das Berufungsgericht, das nicht in Zweifel zieht, daß der Bau der Geräte nach gestohlenen Modellen als sittenwidriges Wettbewerbsverhalten zu beurteilen ist, ist rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gekommen, daß der Beklagte dem wettbewerbsrechtlichen Verwertungsverbot nicht ausgesetzt sei.

bb) Ein solcher Makel verliert entgegen der Ansicht des Berufungsge­richts allerdings nicht schon deshalb an wettbewerbsrechtlicher Bedeutung, weil - wie das Berufungsgericht ohne nähere Feststellung von Tatsachen annimmt - der Beklagte als ehemaliger technischer Leiter bei der Klägerin in der Lage sei, solche Geräte oder Geräteteile selbst zu entwickeln.

cc) Der Vortrag des Entwendens von Plänen aus dem Betrieb der Kläge­rin läßt sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht deswe­gen als unerheblich beurteilen, weil der Beklagte als ehemaliger technischer Leiter der Klägerin Zugang zu solchen Unterlagen hatte und diese teilweise selbst entwickelt haben soll.

Es trifft zwar zu, daß der Beklagte nach seinem Ausscheiden bei der Klägerin grundsätzlich befugt war, sein redlich bei ihr erworbenes Wissen an­zuwenden und die erlangten Kenntnisse und Fähigkeiten für eigene Zwecke zu nutzen, weil ihn kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot traf. Dies bedeutet indes nicht, daß er auch berechtigt war, sein erlangtes Wissen zusätzlich durch die Mitnahme oder Entwendung von Konstruktionsunterlagen aufzufrischen, zu sichern und als in diesen Unterlagen verkörpertes Know-how für eigene Zwecke zu bewahren und weiterzuverwenden. Einer derartigen Annahme steht bereits entgegen, daß es sich dabei grundsätzlich um allein dem Unternehmer und Ge­schäftsherrn zustehende und als solche geschützte Geschäfts- oder Betriebs­geheimnisse (vgl. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c, Nr. 2 UWG) handelt (vgl. Baum­bach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 17 UWG Rdn. 9 m.w.N.).

dd) Dem Berufungsgericht kann auch nicht in seiner Annahme beigetre­ten werden, das behauptete Verhalten des Beklagten nach seinem Ausschei­den aus den Diensten der Klägerin sei nach einem Zeitablauf von mehr als sechs Jahren bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungs­gericht nicht (mehr) geeignet, Auswirkungen auf die derzeitige und künftige ge­schäftliche Tätigkeit des Beklagten zu entfalten und die Wettbewerbslage der Parteien zu beeinflussen. Insbesondere sei der behauptete Diebstahl für die Beurteilung des in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruchs ohne Be­lang.

Die Revision weist mit Recht darauf hin, daß die Frage einer zeitlichen Begrenzung der Schutzdauer des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Lei­stungsschutzes nur im Einzelfall im Rahmen einer Gesamtwürdigung unter Ab­wägung der betroffenen Interessen zu beantworten ist. Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen eine solche sorgfältige tatrichterliche Einzelabwägung nicht erkennen. Das Berufungsgericht hat auch nicht berücksichtigt, daß der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz fortbesteht, solange das Verhalten des Verletzers mit dem Makel der Wettbewerbswidrigkeit behaftet ist, d.h. solange die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produkts besteht und in un­lauterer Weise ausgenutzt wird (vgl. BGH, Urt. v. 19.12.1984 - I ZR 133/82, GRUR 1985, 294, 296 = WRP 1985, 204 - Füllanlage; Erdmann aaO S. 214).

c) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach der Anspruch aus § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Lei­stungsschutzes zu verneinen ist, erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend.

aa) Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zur wettbewerblichen Eigenart der Erzeugnisse der Kläge­rin getroffen. Das unstreitige Parteivorbringen erlaubt es nicht, das Vorliegen wettbewerblicher Eigenart zu verneinen.

Zwar hat die Klägerin die wettbewerbliche Eigenart ihrer Erzeugnisse - trotz eines entsprechenden Hinweises der Beklagten - nicht im einzelnen dar­gelegt. Nachdem das Landgericht jedoch eine wettbewerbswidrige Leistungs­übernahme bejaht hatte, ohne einen entsprechenden Vortrag zur wettbewerbli­chen Eigenart für erforderlich zu halten, hätte die Klage im Berufungsrechtszug nicht abgewiesen werden dürfen, ohne die Klägerin auf die Unschlüssigkeit ih­res Vorbringens in diesem Punkt hinzuweisen und ihr Gelegenheit zu weiterem Vortrag zu geben, zumal sich aus dem Gesamtzusammenhang des Klagevor­bringens ergab, daß die Klägerin für ihre technisch hochspezialisierten Geräte eine denkbare (vgl. BGH GRUR 2000, 521, 523 - Modulgerüst) wettbewerbliche Eigenart in Anspruch nehmen wollte.

bb) Ob bei den im Betrieb der Ehefrau des Beklagten angefertigten Pro­dukten Gestaltungsmerkmale der Produkte der Klägerin übernommen worden sind oder ob ein hinreichender Abstand gehalten wurde, läßt sich auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht abschließend beurteilen. Hierzu bedarf es des noch ausstehenden Vortrags der Klägerin dazu, welche Gestal­tungsmerkmale die wettbewerbliche Eigenart ihrer Erzeugnisse ausmachen und welche dieser Merkmale bei den beanstandeten Produkten des Beklagten ver­wirklicht sein sollen.

2. Das Berufungsgericht hat ungeprüft gelassen, ob und inwieweit der Beklagte gegen § 17 Abs. 2 UWG verstoßen hat und ob sich daraus unabhän­gig vom Vorwurf des Diebstahls einzelner Geräte und unabhängig von den Vor­aussetzungen des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes zivilrechtliche Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung ableiten lassen (§ 1 i.V. mit § 17 Abs. 2 UWG). Auch das wird von der Revision mit Recht beanstandet.

Als verletztes oder unberechtigt verwertetes Geschäfts- oder Betriebsge­heimnis kommen im Streitfall der - sowohl in Konstruktionsplänen als auch im Endprodukt selbst verkörperte - Aufbau, die technische Zusammensetzung so­wie die Funktionsweise der Meßgeräte, die Kundenlisten der Klägerin, die Rechnungen ihrer Zulieferer und die "Neuentwicklung" eines ihrer früheren Ge­schäftsführer in Betracht. Denn Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis ist jede im Zusammenhang mit einem Betrieb stehende Tatsache, die nicht offenkundig, sondern nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt ist und nach dem bekundeten Willen des Betriebsinhabers, der auf einem ausreichenden wirt­schaftlichen Interesse beruht, geheimgehalten werden soll (vgl. BGH, Urt. v. 15.3.1955 - I ZR 111/53, GRUR 1955, 424, 425 - Möbelpaste; GRUR 1961, 40, 43 - Wurftaubenpresse).

Sämtliche vom Sachverständigen Prof. Dr. E. begutachteten Meßgeräte der Klägerin entsprechen zwar nach den von der Revision nicht angegriffe­nen Feststellungen des Berufungsgerichts dem "Stand der Technik". Das schließt einen bestehenden Geheimnisschutz für die Fertigung nicht aus. Auch wenn der allgemein anerkannte Stand der Technik regelmäßig durch Veröffentlichung bekannt ist, kann eine Offenkundigkeit von dem zugrundeliegenden Fertigungsmethoden nicht ohne weiteres angenommen werden.

Der Geheimnischarakter wird im Allgemeinen auch nicht dadurch aufge­hoben, daß Vorgänge in einem Produktionsbetrieb den dort Beschäftigten be­kannt werden (vgl. Großkomm.UWG/Otto, § 17 Rdn. 14; Erbs/Kohlhaas/Fuhr­mann, Strafrechtliche Nebengesetze, U 43, 123. Ergänzungslieferung, § 17 UWG Rdn. 6).


III. Danach kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben. Die Sache ist zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverwei­sen.

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht sich mit den gebotenen Feststellungen näher zu befassen haben. Es wird gegebe­nenfalls auch zu klären haben, ob dem Beklagten das Handeln der T. tatsächlich zuzurechnen ist, was er in Abrede stellt. Ferner wird näher zu prüfen sein, ob sich die geltend gemachten Ansprüche aus § 826 BGB ergeben.

Vorab wird das Berufungsgericht der Klägerin jedoch Gelegenheit geben müssen, an konkret bezeichneten Produkten die angegriffenen Ausführungs­formen im Klageantrag zu benennen.

Ullmann                            v. Ungern-Sternberg                         Starck

Bornkamm                                           Pokrant