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GÜLTIGKEITSDAUER DER UNTERLASSUNGSERKLÄRUNG

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Urteil des BGH vom 06.07.2012

Aktenzeichen V ZR 122/11

Stichwort "Dauer einer Unterlassungsverpflichtung"


Redaktionelle Anmerkung


Dieses Urteil zur "Gültigkeitsdauer einer Unterlassungserklärung" ergänzt den Leitfaden zur "strafbewehrten Unterlassungserklärung" Nicht nur in Fällen der Markenverletzung hört man bis heute immer wieder die Auffassung, dass die bindende Wirkung bzw. Gültigkeit einer strafbewehrten Unterlassungserklärung nach 30 Jahren ende - die Unterlassungserklärung verjährt angeblich. 

Aber Vorsicht, es gibt keine "Verjährung der Unterlassungserklärung". Natürlich denkt man bei der Frage nach der Verjährung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung spontan an die "30-Jahres-Regel" des § 199 BGB - in der Tat legt § 199 Abs. 3 Nr. 2 BGB fest, dass Schadenersatzansprüche - auch wenn sie noch gar nicht entstanden sind - spätestens 30 Jahre nach dem schädigenden Ereignis verjähren. Die Vorschrift gilt aber nur für Schadensersatzansprüche.

Für die Ansprüche, die durch den Verstoß gegen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung entstehen, gelten § 199 Abs. 4 und Abs. 5 BGB: Ansprüche auf der Grundlage einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Verstoßes gegen die Unterlassungsverpflichtung in zehn Jahren von der Zuwiderhandlung an.

Wie der BGH sehr anschaulich in dem nachfolgenden Urteil aufzeigt, lässt sich auch aus den anderen Vorschriften des BGB, die für verschiedene Typen von Ansprüchen eine maximale Laufzeit von 30 Jahren anordnen, nichts anderes herleiten.

Nachfolgend das überaus lesenswerte BGH-Urteil V ZR 122/11 im Volltext.



Leitsätze des BGH


BGB § 137 Satz 2:

Unterlassungsverpflichtungen nach § 137 Satz 2 BGB (schuldrechtliche Verfügungsverbote) werden nicht nach 30 Jahren nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen unwirksam.

BGB § 138 Abs. 1 BGB: In Übergabeverträgen zur vorweggenommenen Erbfolge vereinbarte Unterlassungspflichten, die dem Übernehmer Verfügungen über das Vermögen eines übergebenen Betriebs insgesamt oder über dessen Grundvermögen untersagen, sind nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn der Übernehmer von dem Übergeber nicht die Zustimmung zu einer mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Wirtschaft zu vereinbarenden und den Zweck des Verfügungsverbots nicht wesentlich gefährdenden Verfügung (Veräußerung oder Belastung) verlangen kann. BGH, Urteil vom 6. Juli 2012 - V ZR 122/11 - OLG Frankfurt/Main LG Kassel


ENDURTEIL


Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juli 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 14. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 12. April 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgeboben, als zu Gunsten des Beklagten entschieden worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfah­rens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.


Von Rechts wegen

Tatbestand:

Mit notariellem Vertrag vom 11. April 1980 übertrug die im Jahre 2007 verstorbene Mutter der Parteien ihren % Miteigentumsanteil des zu einem Gut gehörenden Grundbesitzes im Wege vorweggenommener Erbfolge auf den Beklagten, dem bereits % Miteigentumsanteil an dem Grundbesitz gehörte.

In dem Vertrag verpflichtete sich der Beklagte dazu, die Grundstücke während eines Zeitraums von 35 Jahren, hilfsweise von 30 Jahren - mit Ausnahme einer Übertragung an leibliche, eheliche Abkömmlinge - nicht zu veräußern (§ 4 Nr. 1). Der Verstoß gegen das Veräußerungsverbot sollte den Rück­fall der betroffenen Ländereien an den Veräußerer zur Folge haben (§ 4 Nr. 2). Das Veräußerungsverbot sollte nach dem Tod der Veräußerin fortbestehen und danach der Rückfallanspruch dem Kläger zustehen (§ 4 Nr. 3). Der An­spruch auf Rückübertragung sollte auch bei Eingriffen Dritter, wie Pfändungen, ebenso bei Verpfändungen wirksam werden (§ 4 Nr. 5). Zur Sicherung des Rückübertragungsanspruchs wurden die betroffenen Grundstücke mit Vormer­kungen belastet.

Nach Eintragung von Zwangssicherungshypotheken auf drei Grundstü­cken hat der Kläger von dem Beklagten die Rückauflassung eines dieser Grundstücke verlangt. Mit der Widerklage verlangt der Beklagte von dem Klä­ger, die Löschung der auf den anderen Grundstücken des Guts eingetragenen Vormerkungen zu bewilligen. Das Landgericht hat der Klage durch Teilurteil stattgegeben und die Widerklage durch Schlussurteil abgewiesen. Das Ober­landesgericht hat der Widerklage - unter Zurückweisung des Löschungsan­spruchs für die zwei weiteren mit Zwangssicherungshypotheken belasteten Grundstücke - stattgegeben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision will der Kläger auch im Übrigen die Abweisung der Widerklage erreichen.


Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht meint, dass der Beklagte von dem Kläger nach § 886 BGB oder § 894 BGB die Zustimmung zur Löschung der Vormerkungen auf den Grundstücken verlangen könne, die bis zum 1. Juli 2010 weder veräu­ßert, verpfändet noch von Dritten mit Pfandrechten belastet worden seien.

Das Verfügungsverbot sei nämlich an diesem Tage, 30 Jahre nach dem im Übergabevertrag vereinbarten Zeitpunkt für den Übergang des Besitzes, der Nutzungen und der Lasten, erloschen. Die primär vereinbarte Bindungsfrist von 35 Jahren komme nicht zum Tragen, weil Unterlassungsverpflichtungen nach § 137 Satz 2 BGB nach Ablauf von 30 Jahren nach allgemeinen Rechtsgrund­sätzen unwirksam würden. Aber auch dann, wenn man eine solche allgemeine zeitliche Begrenzung für schuldrechtlich wirkende Verfügungsverbote verneine, sei die primär vereinbarte 35jährige Bindungsfrist unwirksam, da die nach § 138 Abs. 1 BGB zulässige zeitliche Grenze für ein Verfügungsverbot, das dem Zweck diene, den übertragenen Grundbesitz im Familienbesitz zu halten, nach 30 Jahren erreicht sei. Der durch eine Vormerkung gesicherte Rücküber­tragungsanspruch verleihe dem schuldrechtlichen Verfügungsverbot eine ge­wisse dingliche Wirkung, welche die Kernbefugnisse des Eigentümers betreffe, wobei sich hier eine zusätzliche besondere Belastung schon daraus ergebe, dass dem Beklagten bereits vor der Übertragung ein % Miteigentumsanteil an dem Grundbesitz gehört habe. Die Bindung durch das Verfügungsverbot sei deshalb gemäß dem Rechtsgedanken der erbrechtlichen Vorschriften (§ 2044 Abs. 2 Satz 1, § 2109 Abs. 1 Satz 1, § 2162 Abs. 1, § 2210 Satz 1 BGB) mit Ablauf von 30 Jahren weggefallen.

II.

Das hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Widerklage ist nicht deshalb begründet, weil bereits 30 Jahre seit dem Wirksamwerden des Unterlassungsanspruchs vergangen sind.

1. Richtig ist, dass der Beklagte, soweit innerhalb der vereinbarten Frist nicht gegen das schuldrechtliche Veräußerungs- und Belastungsverbot (§ 137 Satz 2 BGB) verstoßen worden ist, nach Fristablauf von dem Widerbeklagten die Zustimmung zur Löschung der auf seinen Grundstücken eingetragenen Vormerkungen verlangen kann. Worauf dieser Anspruch beruht, kann offen bleiben.

a) Er ergäbe sich aus § 894 BGB, wenn mit dem Ablauf der Befristung für das Verbot zugleich der durch die Vormerkung gesicherte Rückübertragungsanspruch erloschen wäre. Mit dem gesicherten Anspruch erlischt auch die akzessorische Vormerkung (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 1972 - V ZR 76/71, BGHZ 60, 46, 50 und vom 26. November 1999 - V ZR 432/98, BGHZ 143, 175, 181), und das Grundbuch wird unrichtig (vgl. Senats­urteile vom 15. Dezember 1972 - V ZR 76/71, aaO und vom 28. Oktober 1989 - V ZR 94/87, NJW-RR 1989, 201).

b) § 886 BGB wäre dagegen einschlägig, wenn nur das schuldrechtliche Verfügungsverbot, jedoch nicht der gesicherte Rückübertragungsanspruch be­fristet wäre. Der Grundeigentümer kann nach § 886 BGB von dem Gläubiger die Beseitigung der Vormerkung verlangen, wenn der gesicherte Anspruch zwar noch besteht, aber demjenigen, dessen Grundstück oder Recht von der Vormerkung betroffen ist, eine die Geltendmachung des Anspruchs auf Dauer ausschließende materiell-rechtliche Einrede zusteht (vgl. BayObLGZ 1997, 223, 226).

1. Das Verfügungsverbot ist - entgegen der von dem Berufungsgericht vertretenen Ansicht - nicht bereits infolge Zeitablaufs erloschen. Unterlassungs­verpflichtungen nach § 137 Satz 2 BGB werden nicht nach 30 Jahren nach all­gemeinen Rechtsgrundsätzen unwirksam.

a) Das Berufungsgericht ist allerdings einer im Schrifttum weit verbreite­ten Auffassung gefolgt, nach der schuldrechtliche Verfügungsverbote mit Ab­lauf von 30 Jahren erlöschen (Großfeld/Gersch, JZ 1988, 937, 943 f.; Berger, Rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen, S. 116 f.; Münch-KommBGB/Armbrüster, 6. Aufl., § 137 Rn. 25; Palandt/Ellenberger, BGB, 71. Aufl., § 137 Rn. 5; Wiesmann, Zur Tragweite des § 137 BGB, S. 101 f.). Gestützt wird diese Auffassung - bei Unterschieden in der Begründung im Einzelnen - auf eine Rechtsanalogie zu den Vorschriften in § 462 Satz 1, § 544, § 2044 Abs. 2 Satz 1, § 2109 Abs. 1, § 2262 Abs. 2 Satz 1, § 2210 Satz 1 BGB (Münch- Komm-BGB/Armbrüster, § 137, 6. Aufl., aaO, mwN).

b) Andere verweisen darauf, dass es keinen allgemeinen Rechtssatz gibt, der die Geltung vertraglicher Verpflichtungen auf eine Frist von 30 Jahren begrenzt (Schack, JZ 1989, 609, 612; Staudinger/Kohler, BGB [2011], § 137 Rn. 45), und daher auch rechtsgeschäftliche Verfügungsverbote nach § 137 Satz 2 BGB nicht schon wegen Ablaufs dieser Frist erlöschen, weil dem verein­barten Untersagungsanspruch auch noch nach dieser Zeit ein anerkennens­wertes Interesse zugrunde liegen könne (Staudinger/Kohler, BGB [2011], § 137 Rn. 45; Schippers, MittRhNotK 1998, 69, 73).

c) Die letztgenannte Auffassung ist richtig. Das Bürgerliche Gesetzbuch enthält keine Bestimmung zur höchstzulässigen Geltungsdauer vertraglicher Verpflichtungen nach § 137 Satz 2 BGB.

aa) Eine zeitliche Obergrenze lässt sich (entgegen Großfeld/Gersch, JZ 1988, 937, 944 und Wiesmann, aaO) nicht daraus ableiten, dass durch langfristige Unterlassungsverpflichtungen nach § 137 Satz 2 BGB die Bestim­mung in § 137 Satz 1 BGB unterlaufen werde. Angesichts der ausdrücklichen Regelung in § 137 Satz 2 BGB, nach der die Wirksamkeit schuldrechtlicher Un­terlassungsverpflichtungen nicht davon berührt wird, dass nach Satz 1 BGB die Verfügungsbefugnis des Rechtsinhabers durch ein Rechtsgeschäft nicht mit dinglicher Wirkung ausgeschlossen werden kann, sind schuldrechtlich wirkende Verfügungsverbote, auch wenn sie für eine lange Zeit vereinbart werden, nicht als Umgehung von § 137 Satz 1 BGB anzusehen. Diese Norm bezweckt zudem nicht den Schutz der persönlichen Freiheit des Rechtsinhabers, sondern dient der Sicherung des numerus clausus der Sachenrechte und der Zwangsvollstre­ckung (Senatsbeschluss vom 5. Dezember 1996 - V ZB 27/96, BGHZ 134, 182, 186 mwN), die der Gesetzgeber durch allein schuldrechtlich wirkende Verfü­gungsbeschränkungen nicht als gefährdet angesehen hat.

bb) Eine Höchstdauer von 30 Jahren für schuldrechtliche Verfügungs­verbote lässt sich (entgegen Berger, Rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschrän­kungen, S. 117) auch nicht daraus herleiten, dass für unbefristete Wiederkaufs­rechte eine solche Frist gilt (§ 462 Satz 1 BGB). Diese Vorschrift enthält schon deshalb kein gesetzliches Leitbild für eine 30jährige Höchstdauer vereinbarter Unterlassungsverpflichtungen nach § 137 Satz 2 BGB (so jedoch Berger, aaO), weil die gesetzliche Ausschlussfrist für das Wiederkaufsrecht subsidiär ist und die Vertragsparteien auch längere, über 30 Jahre hinausgehende Fristen für die Geltendmachung eines Wiederkaufsrechts vereinbaren können (Senatsurteile vom 21. April 1967 - V ZR 75/64, BGHZ 47, 387, 392 und vom 29. Oktober 2010 - V ZR 48/10, NJW 2011, 515, 516 Rn. 8).

cc) Aus § 544 BGB, wonach für eine längere Zeit als 30 Jahre abge­schlossene Mietverträge nach Ablauf von 30 Jahren gekündigt werden können, ergibt sich (entgegen Großfeld/Gersch, aaO; MünchKomm-BGB/Armbrüster, 6. Aufl., § 137 Rn. 25) ebenfalls keine allgemeine Höchstgrenze für die Dauer schuldrechtlicher Verpflichtungen. Diese Vorschrift soll "ewige", vertraglich be­gründete Nutzungsrechte, sog. "Erbmieten" oder ähnliche Verhältnisse, verhin­dern (RGZ 66, 216, 220; Senatsurteil vom 20. Mai 1994 - V ZR 292/92, NJW- RR 1994, 971), schließt jedoch Verpflichtungen für darüber hinausgehende Zeiträume nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2008 - I ZR 221/05, NJW 2008, 2995, 2996 Rn. 16 - 40jährige Haltbarkeitsgarantie).

dd) Schließlich lässt sich auch nicht aus den Befristungen in erbrechtlichen Vorschriften (§ 2044 Abs. 2 Satz 1, § 2109 Abs. 1, § 2262 Abs. 2 Satz 1, § 2210 Satz 1 BGB) der Rechtssatz herleiten, dass Verpflichtungen nach § 137 Abs. 2 BGB nach Ablauf von 30 Jahren unwirksam werden.

Das Erbrecht beschränkt die Geltungsdauer bestimmter letztwilliger Ver­fügungen auf einen Zeitraum von 30 Jahren nach dem Erbfall. Diese Befristun­gen verfolgen das Ziel, den Erben nicht 30 Jahre über den Tod des Erblassers hinaus an dessen Anordnungen zu binden (Schack, JZ 1989, 609, 612). Das Erbrecht trifft jedoch keine Bestimmungen für die Abreden, welche die Ver­tragsparteien im Zusammenhang mit einer Übertragung von Vermögensgegen­ständen zu Lebzeiten des Übertragenden vereinbaren. Ihm lässt sich demzu­folge auch nicht entnehmen, dass die Geltungsdauer der in einem Übergabe­vertrag vereinbarten Unterlassungspflichten nach § 137 Satz 2 BGB auf einen Zeitraum von 30 Jahren nach dem Übergang des Eigentums auf den Über­nehmer begrenzt ist, was im Übrigen zur Folge hätte, dass die Bindung des Übernehmers unter Umständen schon vor dem Ableben des Übertragenden endete.

Ob Verfügungsbeschränkungen, zu denen sich der Übernehmer in ei­nem zur vorweggenommenen Erbfolge abgeschlossenen Übergabevertrag ver­pflichtet hat, 30 Jahre nach dem Tod des Übergebers unwirksam werden, weil sich aus dem Erbrecht ein Rechtssatz ergibt, dass der Erblasser nicht über die­sen Zeitraum hinaus über sein Vermögen bestimmen können soll (so Schack, JZ 1989, 609, 612), kann dahinstehen. Diese Frist endete nämlich erst im Jahr 2037, mithin lange nach Ablauf der vertraglich vereinbarten 35jährigen Bin­dungsfrist.

2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts verstößt ein in einem Übertragungsvertrag dem Übernehmer auferlegtes Verfügungsverbot nach § 137 Satz 2 BGB auch dann nicht gegen die guten Sitten, wenn es länger als 30 Jahre dauert. Die 35jährige Bindung des Beklagten ist nicht deshalb nach § 138 Abs. 1 BGB unwirksam.

a) Rechtsgeschäftliche Verfügungsverbote sind allerdings wegen Ver­stoßes gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn sie die Verfügungsbefugnis des Schuldners auf übermäßige Dauer einschränken (Se­natsbeschluss vom 5. Dezember 1996 - V ZB 27/96, BGHZ 134, 182, 190). Ob das der Fall ist, ist unter Würdigung aller Umstände, insbesondere des Maßes der Beeinträchtigung des Schuldners, der Dauer der Bindung und des durch die Verfügungsbeschränkung geschützten Interesses des Begünstigten zu ent­scheiden (vgl. Staudinger/Kohler, BGB [2011], § 137 Rn. 46).

b) Das vereinbarte Verfügungsverbot mit einer Geltungsdauer von mehr als 30 Jahren stellt sich nicht - wie das Berufungsgericht meint - deswegen als sittenwidrig dar, weil der Zweck, dem das Verbot dienen soll, nach Ablauf von 30 Jahren erreicht ist. Der Zweck, das zum Gut gehörende Grundvermögen im Familienbesitz zu halten, ist zeitlos. Er ist nicht verwirklicht, wenn der Beklagte in einem Zeitraum von 30 Jahren nach der Übergabe keine den Zweck beein­trächtigenden Verfügungen vorgenommen hat. Der Beklagte wird dadurch auch nicht unverhältnismäßig belastet. Er hat mit dem Vertragsschluss das durch das Verfügungsverbot gesicherte Familieninteresse anerkannt und ist eine ent­sprechende vertragliche Bindung gegenüber der Übergeberin und seinen Ge­schwistern eingegangen, ohne die er das Vermögen nicht übertragen bekom­men hätte.

III.

Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben, soweit darin der Wider­klage stattgegeben worden ist. Die Sache ist jedoch insoweit an das Beru­fungsgericht zurückzuverweisen, da der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 562 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

1. Die Sittenwidrigkeit eines Verfügungsverbots nach § 137 Satz 2 BGB kann sich nämlich nicht nur aus der Dauer, sondern auch aus dem Umfang der Verfügungsbeschränkung ergeben (vgl. Senat, Beschluss vom 5. Dezember 1996 - V ZB 27/96, BGHZ 134, 182, 190). Unter diesem rechtlichen Gesichts­punkt ist die Zulässigkeit des vereinbarten Verfügungsverbots allerdings bisher in den Tatsacheninstanzen nicht geprüft worden.

a) Das wäre hier jedoch geboten gewesen, weil das in § 4 des Über­gabevertrags enthaltene Verfügungsverbot, das dem Beklagten jedwede Ver­äußerung oder Verpfändung eines der zum Gut gehörenden Grundstücke un­tersagt, wegen übermäßiger Beschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfrei­heit nicht sein kann, § 138 Abs. 1 BGB.

b) Vertragliche Verfügungsverbote nach § 137 Satz 2 BGB beschränken zwar dann die wirtschaftliche Handlungsfreiheit des Schuldners in der Regel nicht übermäßig, wenn sie sich nur auf einen Gegenstand beziehen (vgl. Se­natsbeschluss vom 5. Dezember 1996 - V ZB 27/96, aaO); sie sind aber unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Knebelung des Schuldners als sitten­widrig anzusehen, wenn sie sich auf dessen gesamtes Vermögen erstrecken (vgl. Berger, Rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen, S. 114; Münch-Komm-BGB/Armbrüster, 6. Aufl., § 137 Rn. 25; Staudinger/Kohler, BGB [2011], § 137 Rn. 46).

c) Die Einschränkungen der Verfügungsbefugnisse des Beklagten durch die in dem Übergabevertrag vereinbarten Veräußerungs- (§ 4 Nr. 1) und Ver­pfändungsverbote (§ 4 Nr. 4) liegen dazwischen. Das Verfügungsverbot erfasst zwar das gesamte Immobiliarvermögen des land- und forstwirtschaftlichen Be­triebs einschließlich des dem Beklagten bereits zuvor gehörenden % Anteils; es erstreckt sich aber nicht auf das bewegliche Betriebs- und auf das Privatver­mögen.

aa) Die Zulässigkeit solcher Verfügungsbeschränkungen wird allerdings im Schrifttum meistens bejaht (Faßbender, DNotZ 1986, 67, 75; von Hoyen- berg, Vorweggenommene Erbfolge, Rn. 204; Krauß, Überlassungsverträge in der Praxis, Rn. 1559; Wegmann, Grundstücksüberlassung, 2. Aufl., Rn. 180) und nur von eigenen Autoren als bedenklich angesehen (Lüdtke-Handjery, DNotZ 1985, 332, 351; Mayer, Der Übergabevertrag, 2. Aufl., Rn. 228).

bb) Die Rechtsprechung sieht in solchen Verfügungsbeschränkungen in­dessen eine wesentliche Einschränkung bei der ordnungsgemäßen Bewirt­schaftung eines übernommenen Betriebs, zu der auch die Aufnahme von Kre­diten und deren dingliche Absicherung gehört (vgl. Senat, Urteil vom 17. Okto­ber 2008 - V ZR 14/08, NJW 2009, 1135, 1136 Rn. 8 - zu einem Rentenkauf­vertrag; OLG Celle, RdL 2002, 45 - zu einem Hofübergabevertrag). Ein Verfü­gungsverbot, das dem Erwerber ohne Ausnahme jede Verfügung über das Vermögen des Betriebs oder über dessen Grundvermögen untersagt, be­schränkt die wirtschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten des Übernehmers in ei­nem Maße, dass dieser seine Selbständigkeit und wirtschaftliche Handlungs­freiheit in einem wesentlichen Teil einbüßt, und stellt sich damit als sittenwidri­ge Knebelung dar (vgl. Senat, Urteil vom 17. Oktober 2008 - V ZR 14/08, aaO).

cc) Verfügungsverbote in Verträgen zur Übertragung der Grundstücke eines Guts sind, auch wenn sich der Grundbesitz seit vielen Generationen im Besitz einer Familie befindet, nicht anders zu beurteilen. Die mit dem Verbot verbundenen Einschränkungen bei der Bewirtschaftung des Betriebs, die die wirtschaftliche Existenz des Übernehmers gefährden können (vgl. Lüdtke-Handjery, DNotZ 1985, 332, 351, Krauß, Überlassungsverträge in der Praxis, Rn. 1564), stellen sich auch unter Berücksichtigung des grundsätzlich anzuer­kennenden Interesses des Übergebenden, das übertragene Vermögen weiter­hin im Familienbesitz zu halten, als eine unverhältnismäßige Einschränkung der Selbständigkeit und wirtschaftlichen Handlungsfreiheit des Übernehmers dar. Sie sind daher nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn der Übernehmer von dem Übergeber nicht die Zustimmung zu einer mit den Grundsätzen ordnungsge­mäßer Wirtschaft zu vereinbarenden und den Zweck des Verfügungsverbots nicht wesentlich gefährdenden Verfügung (Veräußerung oder Belastung) ver­langen kann.

d) Gemessen daran ist das Verfügungs- und Belastungsverbot mit dem in § 4 vereinbarten Inhalt nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Dem Beklagten sind danach alle Veräußerungen (sofern nicht an eheliche, leibliche Abkömmlinge) und ausnahmslos auch alle Verpfändungen verboten. Der Rückfallanspruch entsteht bei jedem Verstoß gegen das Verbot. Der Befugnisse des Überneh­mers sind - solange das Verbot gilt - auf die aus dem Grundvermögen zu zie­henden Nutzungen beschränkt; jede Verfügung über das Eigentum an den Grundstücken ist ihm dagegen untersagt.

2. Ist ein solches Verfügungsverbot in einem Übertagungsvertrag verein­bart worden, muss jedoch geprüft werden, ob die nichtige Verfügungsbe­schränkung im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) um einen Anspruch des Schuldners auf Zustimmung des Begünstigten zu den ordnungsgemäßer Bewirtschaftung entsprechenden Verfügungen zu ergänzen ist, um die Nichtigkeit des ganzen Vertrags zu vermeiden.

a) Die Nichtigkeit des Verfügungsverbots beträfe nämlich in diesen Fäl­len den Übergabevertrag insgesamt, weil vor dem Hintergrund der weitreichen­den vertraglichen Regelungen zum Erhalt des Guts im Familienbesitz nicht da­von ausgegangen werden kann, dass der Vertrag auch ohne eine diesen Zweck sichernde Verfügungsbeschränkung abgeschlossen worden wäre. Die Gesamtnichtigkeit des Übergabevertrags nach § 139 BGB widerspräche jedoch ersichtlich dem Willen der Vertragsparteien. Sie führte nämlich oft dazu, dass mit dem Tod des Übergebers auf den Nachlass das gesetzliche Erbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs anzuwenden wäre, was zum Entstehen einer Miter­bengemeinschaft nach § 2032 BGB und damit in der Regel zu einer Auseinan­dersetzung durch Teilung (§ 2049 i.V.m. §§ 750, 751 BGB) führte. Das stünde in einem klaren Gegensatz zu dem mit den Übergabeverträgen verfolgten Ziel, das gesamte Grundvermögen der Familie ungeteilt auf einen Abkömmling zu übertragen.

b) Danach wäre von einer Regelungslücke auszugehen, weil sich die vereinbarte Vertragsbestimmung über das Verfügungsverbot als nichtig erweist, die Parteien den Übergabevertrag jedoch nicht ohne eine der unwirksamen Be­stimmung vergleichbare Abrede abgeschlossen hätten (vgl. BGH, Urteil vom 16. April 1973 - VII ZR 140/71, BGHZ 60, 353, 362, vom 30. Oktober 1974 - VIII ZR 69/73, BGHZ 63, 132, 135; vom 1. Februar 1984 - VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69, 77 und vom 3. November 1999 - VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103, 120). In diesen Fällen wird es in der Regel dem Willen der Parteien entspre­chen, das unwirksame Verfügungsverbot durch ein weniger weitreichendes zu ersetzen oder durch einen Anspruch auf Zustimmung zu ergänzen, um die er­sichtlich nicht gewollte Rechtsfolge der Nichtigkeit des Übergabevertrags ins­gesamt zu vermeiden (vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 1967 - III ZR 68/66, FamRZ 1967, 470, 471; Bamberger/Roth/Wendtland, BGB, 2. Aufl., § 137 Rn. 17; Staudinger/Kohler, BGB [2011], § 137 Rn. 46).

Eine solche Ergänzung des Vertrags setzt allerdings voraus, dass un­ter Anlegung des in § 157 BGB normierten Auslegungsmaßstabs bestimmt werden kann, wie die Parteien den Vertrag gestaltet hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Abrede bekannt gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 16. April 1973 - VII ZR 140/71, BGHZ 60, 353, 362, vom 30. Oktober 1974 - VIII ZR 69/73, BGHZ 63, 132, 135; vom 1. Februar 1984 - VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69, 77 und vom 3. November 1999 - VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103, 120). Die Vereinbarungen über den Umfang und die Dauer der Verfügungsbe­schränkung sprechen dafür, dass die Vertragsparteien den von ihnen verfolgten Zweck, das zum Gut gehörende Grundvermögen im Eigentum der Familie zu halten, so weit wie möglich sichern wollten und daher statt des unwirksamen Verfügungsverbots die im Rahmen des rechtlich Zulässigen am weitesten ge­hende Verfügungsbeschränkung vereinbart hätten. Dem entspräche eine Rege­lung, die das vereinbarte Verfügungsverbot um die Abrede ergänzt, dass der Übernehmer von der Übergeberin eine Zustimmung zu einer Veräußerung oder Belastung verlangen kann, wenn diese Maßnahme den Regeln einer ord­nungsgemäßen Wirtschaft entspricht und den mit dem Verfügungsverbot ver­folgten Zweck, das Eigentum in der Familie zu halten, nicht wesentlich beein­trächtigt oder gefährdet. Diese rechtlichen Gesichtspunkte sind bisher von beiden Parteien nicht bedacht und in den Tatsacheninstanzen auch nicht erörtert worden. Die Zurückverweisung gibt den Parteien Gelegenheit zu einer Ergänzung des Vor­bringens, insbesondere zu der hier in Betracht kommenden ergänzenden Ver­tragsauslegung.

Krüger Lemke Schmidt-Ränsch Stresemann Czub


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