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OLG Oldenburg 1 W 37/09 - "VERTRAGSSTRAFE"

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Beschluss  des OLG Oldenburg vom 12.08.2009

Aktenzeichen 1 W 37/09

Stichwort "Vertragsstrafe"


Redaktionelle Anmerkung

Dieses Urteil ergänzt den Leitfaden zum Thema "strafbewehrte Unterlassungserklärung", der auch einen Überblick enthält, was bei der Wahl der angemessenen Vertragsstrafe zu beachten ist In der Praxis stellt sich bei der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung häufig die Frage, wie weit die Vertragsstrafe "abgesenkt" werden kann, ohne dass das Risiko besteht, dass die strafbewehrte Unterlassungserklärung später von einem Gericht wegen zu geringer Vertragsstrafe für "nicht ernsthaft genug" angesehen wird - und dann ihren Zweck verfehlt, eine Klage und die damit verbundenen Kosten zu vermeiden.

Das OLG Oldenburg hat mit dem nachfolgend veröffentlichten Beschluss sehr anschaulich den Grundsatz mit Leben ausgefüllt, dass eine strafbewehrte Unterlassungserklärung die Wiederholungsgefahr grundsätzlich nur dann entfallen lässt, wenn die Vertragsstrafe so bemessen ist, dass sie abschreckende Wirkung entfaltet - die in der Unterlassungserklärung versprochene Vertragsstrafe muss so hoch sein, dass nach der Lebenserfahrung und unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des konkreten Falls hinreichende Sicherheit dafür besteht, dass der Verletzer den Wettbewerbsverstoß nicht wiederholt. 

Sieht man sich die Entscheidung des OLG Oldenburg näher an, dann leuchtet das Urteil ein. Eine Unterlassungserklärung, die lediglich mit einer Vertragsstrafe von 1.100 € abgesichert ist, kann im lukrativen Geschäft mit Vorführwagen nicht gewährleisten, dass die falschen Kilometerangaben nicht wiederholt werden.


Tenor

Nach übereinstimmender Erledigungserklärung der Parteien werden die Kosten des Verfügungsverfahrens (einschließlich des Beschwerdeverfahrens) der Antragsgegnerin auferlegt.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 15.000 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller hatte im vor dem LG Oldenburg unter dem Az. 15 O 1431/09 geführten einstweiligen Verfügungsverfahren beantragt, der Antragsgegnerin zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr Personenkraftwagen zu bewerben mit der Angabe einer Laufleistung von fünf gefahrenen Kilometern, sofern das Fahrzeug tatsächlich über einen wesentlich höheren Kilometerstand verfügt (500 gefahrene Kilometer oder mehr). Er hatte sich dazu auf eine von ihm beanstandete Internetwerbung der Antragsgegnerin bezogen.

Nach Abmahnung seitens des Antragstellers hatte sich die Antragsgegnerin zur Unterlassung verpflichtet, sie hatte sich dabei jedoch in der vom Antragsteller vorformulierten strafbewehrten Unterlassungserklärung für den Fall der Zuwiderhandlung statt der vorgesehenen, vom Antragsteller geforderten Vertragsstrafe von 5.100 € lediglich zur Zahlung einer Vertragsstrafe von 1.100 € im Fall der Zuwiderhandlung bereit gefunden.

Das Landgericht hat die Unterlassungsverpflichtung mit dem Vertragsstrafeversprechen von 1.100 € für ausreichend gehalten, im Hinblick darauf einen Wegfall der Wiederholungsgefahr angenommen und den Verfügungsantrag des Antragstellers zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat hiergegen sofortige Beschwerde eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Höhe der versprochenen Vertragsstrafe hier nicht ausreiche. Nachdem die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren sich bereiterklärt hat, im Fall einer Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe von 5.100 € zu zahlen, haben beide Parteien das einstweilige Verfügungsverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt und widerstreitende Kostenanträge gestellt.

 

II.

Nachdem die Parteien das einstweilige Verfügungsverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist über die Kosten des Verfahrens nach § 91a ZPO zu entscheiden.

Nach dieser Vorschrift sind im Rahmen billigen Ermessens die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu verteilen. Dabei kommt dem voraussichtlichen Ausgang des Rechtsstreits bzw. des Verfahrens, also dem voraussichtlichen Obsiegen und Unterliegen der Parteien, wesentliche, im Regelfall entscheidende Bedeutung zu.

Nach diesen Grundsätzen sind im vorliegenden Fall die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz dem Antragsgegner aufzuerlegen, weil er in dem vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren ohne die Erledigung, die durch Abgabe einer nunmehr ausreichenden strafbewehrten Unterlassungserklärung im Beschwerdeverfahren eingetreten ist, voraussichtlich unterlegen wäre.

Das vom Antragsteller beanstandete, mit der tatsächlichen Laufleistung nicht entfernt zu vereinbarende Angebot eines neuen, nur 5 km gefahrenen Pkw seitens der Antragsgegnerin war irreführend und damit nach §§ 3, 5 UWG wettbewerbswidrig. Dieser Wettbewerbsverstoß rechtfertigte einen durch einstweilige Verfügung zu sichernden Unterlassungsanspruch nach §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 12 UWG.

Nach der Bewertung des Senats hat der Antragsteller sich zutreffend darauf berufen, dass unter Berücksichtigung der gesamten Umstände und insbesondere der wirtschaftlichen Bedeutung des beworbenen Geschäfts die an den vorliegenden Wettbewerbsverstoß anknüpfende Wiederholungsgefahr noch nicht durch die unter dem 20.5.2009 abgegebene Unterlassungserklärung mit dem Versprechen einer Vertragsstrafe von lediglich 1.100 € entfiel. Die zunächst von der Antragsgegnerin versprochene Vertragsstrafe blieb weit hinter der geforderten Vertragsstrafe von 5.100 € zurück und war insgesamt unzureichend.

Die sich aus einem vorliegenden Wettbewerbsverstoß ergebende Wiederholungsgefahr entfällt durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung im Regelfall nur dann, wenn die Vertragsstrafe so bemessen ist, dass sie abschreckende Wirkung entfaltet und es nach der Lebenserfahrung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände ausgeschlossen erscheint, dass der Verletzer den Wettbewerbsverstoß wiederholt. Die Praxis der Rspr. geht dahin, in Geschäftsbereichen normaler wirtschaftlicher Bedeutung die Spanne einer ausreichenden Vertragsstrafe zwischen 2.500 € bis 10.000 € zu bemessen und Beträge bis 2.000 € nicht ausreichen zu lassen (vgl. Ahrens/Deutsch, der Wettbewerbsprozess, 6. Aufl., Kap. 1 Rn. 65 m.w.N). Von diesen Grundsätzen geht auch der Senat aus. Geringere Vertragsstrafen können lediglich bei einer wettbewerbsrechtlich relevanten Geschäftstätigkeit im wirtschaftlichen Bagatellbereich ausreichen.

Eine ausreichende abschreckende Wirkung durch eine versprochene Vertragsstrafe, die die Wiederholungsgefahr in hinreichender Weise beseitigt, kann unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten jedenfalls nur angenommen werden, wenn die vereinbarte Vertragsstrafe deutlich über die wirtschaftlichen Vorteile hinausgeht, die der Verletzer durch die mit dem wettbewerbswidrigen Handeln verbundenen Geschäfte erzielen könnte. Es liegt auf der Hand, dass der Verletzer keinen hinreichenden wirtschaftlichen Anreiz hat, sich an die Unterlassungsanordnung zu halten, wenn im Fall des "Erwischtwerdens" nur eine Vertragsstrafe zu zahlen ist, die ohne weiteres aus dem vermutlichen Gewinn des wettbewerbswidrig angebotenen Geschäfts beglichen werden kann.

Im vorliegenden Fall geht es um den Verkauf von PKW zu Preisen von über 40.000 € und eine wettbewerbswidrige Werbung hierfür. Bei diesen Geschäften ist von nicht völlig unerheblichen Roh-Gewinnspannen im sicherlich wohl vierstelligen Bereich auszugehen. Bei solchen Geschäften und entsprechenden Gewinnerwartungen ist eine Vertragsstrafe von lediglich 1.100 € offensichtlich unzureichend.

Es ist nach den Umständen auch nicht ersichtlich, dass hier ein missbräuchliches Verhalten des Antragstellers vorlag, das von vornherein zum Verlust des wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs geführt hätte.

Wenn erst im Verlauf eines vorausgegangenen Verfahrens die tatsächlichen Umstände des hier relevanten Wettbewerbsverstoßes zu Tage traten, ist es letztlich nicht zu beanstanden, dass der Antragsteller wegen dieser anderen, neuen Umstände ein weiteres Verfügungsverfahren einleitete.

Der im einstweiligen Verfügungsverfahren vom Antragsteller geltend gemachte Unterlassungsanspruch hätte danach vor Abgabe des erweiterten Vertragsstrafeversprechens seitens der Antragsgegnerin und der daraufhin erfolgten beiderseitigen Erledigungserklärungen Erfolg gehabt. Wenn die Antragsgegnerin jedoch ohne die Erledigung und die Erledigungserklärung unterlegen wäre, sind ihr die vor den Erledigungserklärungen bereits entstandenen Verfahrenskosten aufzuerlegen.

Die Festsetzung des Streitwert für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1, 53 GKG, 3 ZPO.