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LG Braunschweig 9 O 842/11

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Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 01.06.2011

Aktenzeichen 9 O 842/11 (124)

Stichwort "Scharnier"

 

In dem einstweiligen Verfügungs- und Arrestverfahren wegen Patentverletzung hat die 9. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig auf die mündliche Verhandlung vom 11.05.2011 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. Meyer, die Richterin Dr Werne und die Richterin am Landgericht Block-Cavallaro, für Recht erkannt:

1. Der Verfügungsbeklagten wird untersagt,

im Bereich der Bundesrepublik Deutschland ein Scharnier, das zumindest ein in einem Durchbruch in einer dünnen Wand, wie einer Blechschranktür montierbares Scharnierteil aufweist mit einem den Rand des Durchbruchs der dünnen Wand auf deren einen (äußeren) Seite überdeckenden Kopfteil, wie Flansch oder Scharnierblatt, und einen von dem Kopfteil ausgehenden, durch den Durchbruch in der dünnen Wand hindurchschiebbaren Rumpfteil und mit einem vom Rumpfteil getragenen, auf der anderen (hinteren) Seite der dünnen Wand sich abstützenden, vom Rumpfteil getrennten Halteteil, dadurch gekennzeichnet, dass das Halteteil von Halteelementen gebildet wird, die von dem Rumpfteil in Richtung seiner Außenfläche nachgiebig vorspringen und deren freies Ende eine Schrägfläche zur spielfreien Abstützung des Rumpfteils auf dem Rand oder Kante des Durchbruchs aufweist, anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder zu gebrauchen und/oder zu den genannten Zwecken einzuführen und/oder zu besitzen.

2. Für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung wird der Verfügungsbeklagten Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten oder ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 € angedroht die Stelle des Ordnungsgeldes tritt bei Nichtbeitreibbarkeit Ordnungshaft. Ordnungshaft ist zu vollziehen an den gesetzlichen Vertretern der Verfügungsbeklagten.

3. Die Verfügungsbeklagte wird verurteilt,

dem Antragsteller innerhalb einer Frist von 30 Tagen ab Zustellung der einstweiligen Verfügung Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang die Antragsgegnerin die vorstehend unter Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 03. Februar 2008 begangen hat, und zwar unter Angabe der einzelnen getätigten Lieferung, unter Angabe

(1.) der Namen und Anschriften der Abnehmer sowie

(2.) der jeweiligen Liefermengen, Zeiten und Preisen nebst Produktbezeichnungen (Artikelnummern).

4. Der Antrag auf Erlass eines Arrests wird zurückgewiesen.

5. Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens tragen der Verfügungskläger zu 10% und die Verfügungsbeklagte zu 90%. Die Kosten des Arrestverfahrens trägt die Verfügungsklägerin.

6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin darf die Vollstreckung weqen der Kosten gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

7. Der Streitwert wird auf für das einstweilige Verfügungsverfahren auf 220.000 - € und für das Arrestverfahren auf 8000,-€ festgesetzt. '

 

Tatbestand

Der Verfügungskläger (im Folgenden Kläger) nimmt die Verfügungsbeklagte (im Folgenden Beklagte) im Wege der einstweiligen Verfügung wegen einer Patentverletzung in Anspruch Weiter beantragt sie einen Arrest.

Der Kläger ist Geschäftsführer einer GmbH die u. a. Scharniere herstellt und vertreibt Der Kläger ist Erfinder und eingetragener Inhaber des Patents EP 1 711 672 (DE 50 2005 002 409.5).

Das Patent betrifft ein Scharnier zur Montage in einem Durchbruch in einer dünnen Wand Der Patentanspruch 1 lautet in der erteilten Fassung:

Scharnier, das zumindest ein in einem Durchbruch in einer dünnen Wand, wie Blechschranktür montierbares Scharnierteil aufweist,

mit einem den Rand des Durchbruchs der dünnen Wand auf deren einen (äußeren) Seite überdeckenden Kopfteil, wie Flansch oder Scharnierblatt und

einen von dem Kopfteil ausgehenden, durch den Durchbruch in der dünnen Wand hindurch schiebbaren Rumpfteil,

und mit einem vom Rumpfteil getragenen, auf der anderen (hinteren)Seite der dünnen Wand sich abstützenden, vom Rumpfteil getrennten Halteteil,

dadurch gekennzeichnet,

dass das Halteteil von Halteelementen gebildet wird,

die von dem Rumpfteil in Richtung seiner Außenfläche nachgiebig vorspringen

und deren freies Ende eine Schrägfläche zur spielfreien Abstützung des Rumpfteils auf dem Rand oder Kante des Durchbruchs aufweist.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Patentschrift (Anlage K 1) Bezug genommen

Das Patent steht in Kraft und verfügt über eine Priorität vom 26.01.2004.

Die Beklagte ist ein indisches Unternehmen, das u. a. Scharniere herstellt und vertreibt: Sie hat auf der X. Messe 2011 ausgestellt.

Der Kläger behauptet, es liege eine wortsinngemäße Verletzung vor. Es handle sich im Übrigen auch um Nachbauten der tatsächlich von der GmbH des Klägers vertriebenen Scharniere. Die Verletzungsgegenstände seien auf der X. Messe auch im rechtlichen Sinne angeboten worden. Das Patent sei rechtsbeständig. Ihm stünden daher die geltend gemachten Ansprüche zu.

Der Verfügungskläger hat ursprünglich folgende Anträge gestellt:

I.
Der Antragsgegnerin wird untersagt,

im Bereich der Bundesrepublik Deutschland ein Scharnier, das zumindest ein in einem Durchbruch in einer dünnen Wand, wie Blechschranktür montierbares Scharnierteil aufweist, mit einem den Rand des Durchbruchs der dünnen Wand auf deren einen (äußeren) Seite überdeckenden Kopfteil, wie Flansch oder Scharnierblatt und einen von dem Kopfteil ausgehenden, durch den Durchbruch in der dünnen Wand hindurch schiebbaren Rumpfteil, und mit einem vom Rumpfteil getragenen, auf der anderen (hinteren) Seite der dünnen Wand sich abstützenden, vom Rumpfteil getrennten Halteteil,

dadurch gekennzeichnet,

dass das Halteteil von Halteelementen gebildet wird, die von dem Rumpfteil in Richtung seiner Außenfläche nachgiebig vorspringen und deren freies Ende eine Schrägfläche zur spielfreien Abstützung des Rumpfteils auf dem Rand oder Kante des Durchbruchs aufweist, anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder zu gebrauchen und/oder zu den genannten Zwecken einzuführen und/oder zu besitzen,

II.
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, dem Antragsteller innerhalb einer Frist von 30 Tagen ab Zustellung der einstweiligen Verfügung Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang die Antragsgegnerin die vorstehend unter Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 03. Februar 2008 begangen hat, und zwar unter Angabe der einzelnen getätigten Lieferung, unter Angabe

1. der Namen und Anschriften der Abnehmer sowie

2. der jeweiligen Liefermengen, Zeiten und Preisen nebst Produktbezeichnungen

(Artikelnummern).

III.
Der Antragsgegnerin wird jeweils für den Fall der Zuwiderhandlung gegen das Verbot gemäß vorstehender Ziffer I. ein Ordnungsgeld bis zu EUR 250.000,00 ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu zwei Jahren angedroht.

IV.
1. Es wird die vorläufige Sicherstellung der Scharniere mit der Bezeichnung „Clip Fit", insbesondere der Scharniere mit den Artikelnummern DHLZC-5064-R, DHLZC-5064-L DHLZC-3264-R, DHLZC-3264-L, DHLZC-1564 und DHFMC-2230, sowie des entsprechenden Werbematerials (Kataloge, CD-Roms etc.) der Antragsgegnerin auf ihrem Messestand auf der X.-Messe (Halle 3, Stand B62) angeordnet, welches die Scharniere mit der genannten Bezeichnung bzw. Artikelnummern abbildet und/oder beschreibt.

2. Die Antragsgegnerin hat bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung die unter Ziffer IV. 1) genannten Gegenstände, soweit sie im Eigentum oder Besitz der Antragsgegnerin sind, an den von der Antragstellerin zu beauftragenden örtlich zuständigen Gerichtsvollzieher zurVerwahrung herauszugeben, wobei die Antragstellerin den örtlich zuständigen Gerichtsvollzieher ggf. mit der Wegnahme zu diesem Zweck beauftragen kann.

3. Es wird für den Fall des Erlasses der beantragten einstweiligen Verfügung wegen der für das vorliegende einstweilige Verfügungsverfahren entstandenen Gebühren in Höhe von EUR 4.761,60 zuzüglich der Gerichtskosten in Höhe von EUR 2.296,00 einschließlich Zustellkosten und wegen der in diesem Verfahren festzusetzenden Arrestkosten in Höhe von EUR 555,60 zuzüglich Gerichtskosten in Höhe von EUR 279,00 einschließlich Zustellkosten, somit insgesamt wegen der Kosten in Höhe von EUR 7.892,20 der dingliche Arrest in das gesamte Vermögen der Antragsgegnerin angeordnet.

Die Vollziehung des Arrestes ist gegen Sicherheitsleistung der Antragsgegnerin in Höhe von EUR 8.000,00 gehemmt.

In der mündlichen Verhandlung - nach Abschluss der Messe - haben die Parteien die Anträge zu IV/1 (Sicherstellung) und IV/2 (Herausgabe) übereinstimmend für erledigt erklärt.

Der Kläger stellt jetzt noch die oben wiedergegebenen Anträge zu I, II, III, IV/3.

Die Beklagte beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung und eines Arrests zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass es an einem Verfügungsgrund fehle. Auch ein Verfügungsanspruch sei nicht gegeben; es fehle an einer substantiierten Darlegung der Verletzung.

Insbesondere fehle es an einem Anbieten gemäß § 9 PatG. Es handele sich bei der X. Messe lediglich um eine Leistungsschau. Es sei dort nicht möglich gewesen, Scharniere zu kaufen oder auch nur zu bestellen. Es seien auch keine Angaben über Preise oder sonstige Lieferbedingungen erfolgt. Das Patent sei nicht rechtsbeständig.

Ein inhaltlich gleichlautendes Patent befinde sich in den USA noch im Prüfungsverfahren. Dort habe es wiederholte und erhebliche Bedenken des Prüfers gegeben. Aus einer Gesamtschau von zwei Entgegenhaltungen folge, dass es an einer erfinderischen Tätigkeit fehle. Jedenfalls sei dieses Patent keine geeignete Grundlage für den Erlass einer einstweiligen Verfügung.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten

Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.05.2011 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist in dem jetzt noch geltend gemachten Umfang begründet. Der Antrag auf Erlass eines Arrests war zurückzuweisen.

1. Die Patentstreitkammer des Landgerichts Braunschweig ist zuständig, da die gerügte Verletzungshandlung im Bezirk des Gerichts stattgefunden hat.

2. Ein Verfügungsgrund ist glaubhaft gemacht.

Eine zeitliche Dringlichkeit ist gegeben. Der Verfügungskläger hat erst im Zusammenhang mit der X. Messe Kenntnis von der Verletzungshandlung der Verfügungsbeklagten erlangt.

Die Rechtsverletzung ist eindeutig (dazu sogleich).

Der Rechtsbestand des Verfügungspatents ist ausreichend gesichert (s. u.).

3. Die auf der X. Messe ausgestellten Scharniere sowie die in dem auf der X. Messe erhältlichen Katalog der Verfügungsbeklagten abgebildeten streitgegenständlichen Scharniere verletzen das Patent wortsinngemäß.

Die Erfindung betrifft ein Scharnier, wie es etwa für Türen an Blechschränken montiert wird.

Das erfindungsgemäße Scharnier weist ein Scharnierteil auf, welches durch den Durchbruch in einer dünnen Wand (Blechschranktür) geschoben werden kann, sowie ein, die äußere Seite des Durchbruchs überdeckendes Kopfteil. Das Rumpfteil weist ein vom Rumpfteil getragenes, auf der hinteren Seite der dünnen Wand sich abstützendes, vom Rumpfteil getrenntes Halteteil auf. Solche Scharniere sind aus dem Stand der Technik bekannt (EP 0223871 A 1).

Bei dem Stand der Technik besteht das Halteteil, mit dem das Rumpfteil hinter der dünnen Wand befestigt wird, aus einem Stift. Das Patent beschreibt es als nachteilig, dass diese Konstruktion nur für bestimmte Blechstärken geeignet ist und dass der Stift außerdem als loses Teil verlorengehen kann. Weiter sei die Montage umständlich.

Vor diesem Hintergrund ist es Aufgabe des Patents, dass eine einfache Montage an einem Durchbruch einer dünnen (Blech-)Wand ermöglicht wird. Dies soll auch dann möglich sein, wenn nur eine Seite des Türplatzes zugänglich ist. Es soll eine stabile Befestigung mit möglichst automatischer Anpassung an unterschiedliche Blechstärken erfolgen. Lose Teile sollen vermieden werden. Die Scharnierbefestigung soll bei geschlossenem Schrank unzugänglich sein. Bei geöffnetem Schrank soll die Befestigung lösbar sein.

Zur Lösung schlägt das Patent eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:

1. Scharnier (10),

2. das Scharnier weist zumindest ein Scharnierteil (16) auf,

3. das Scharnierteil (16) ist in einem Durchbruch (12) in einer dünnen Wand (14), wie Blechschranktür, montierbar,

4. das Scharnierteil (16) umfasst:

4.1 ein Kopfteil (28), wie Flansch oder Scharnierblatt,

4.2 ein Rumpfteil (30),

4.3 ein Halteteil (34),

5. das Kopfteil überdeckt den Rand des Durchbruchs (12) der dünnen Wand (14) auf der einen (äußeren) Seite (26),

6. das Rumpfteil (30),

6.1 geht vom Kopfteil (28) aus,

6.2 ist durch den Durchbruch (12) in der dünnen Wand (14) hindurch schiebbar,

7. das Halteteil (34),

7.1 wird vom Rumpfteil (30) getragen,

7.2 stützt sich auf der anderen (hinteren) Seite (32) der dünnen Wand (14) ab,

7.3 ist vom Rumpfteil (30) getrennt,

7.4 wird von Halteelementen (36) gebildet,

7.5 die Halteelemente springen vom Rumpfteil (30) in Richtung seiner Außenfläche nachgiebig vor,

7.6 das freie Ende der Halteelemente (36) weist eine Schrägfläche (38) zur spielfreien Abstützung des Rumpfteils (30) auf dem Rand oder der Kante (40) des Durchbruchs (12) auf.

Die Verwirklichung dieser Merkmale durch die angegriffene Verletzungsform hat der Kläger in dem Antragsschriftsatz substantiiert wie folgt dargelegt:

(1) Merkmal 1

Scharniere im Sinne des Klagepatents und nach allgemeingültiger Definition dienen vor allem der Befestigung von Torblättern an einem Türrahmen, so dass ein Öffnen und Schließen der Tür möglich ist.

Das Produkt DHLZC-1564 ist ein Scharnier. Die Antragstellerin bietet dieses Produkt in der Broschüre und auf ihrem internetauftritt als „Hinge" an. „Hinge" ist die englische Bezeichnung für „Scharnier".

(2) Merkmal 2

Mit Scharnierteil beschreibt das Verfügungspatent den Teil eines Scharniers, der der Befestigung eines Türblattes dient. Mit mehreren Scharnierteilen können mehrere Türblätter befestigt werden,

Die angegriffene Verletzungsform weist zwei Scharnierteile auf, so dass Merkmal 2, welches mindestens ein Scharnierteil verlangt, verwirklicht ist. Scharnierteil-Abbildung 5: Scharnier DHLZC-1564, Seite D-44 des Produktkatalogs, Anlage ASt 6 mit Bezeichnungen durch die Unterzeichner

(3) Merkmal 3

Merkmal 3 ist ebenfalls verwirklicht. Das Scharnierteil ist in einem Durchbruch in einer dünnen

Wand, wie einer Blechschranktür, montierbar.

Abbildung 6: Zeichnung des eingesetzten Scharniers DHLZC-1564, Seite D-44 des Produktkatalogs, Anlage ASt 6 mit Bezeichnungen durch die Unterzeichner. In dieser Abbildung der Antragsgegnerin sind in der blau und der weiß eingezeichneten Wand jeweils Durchbrüche sichtbar, durch die die Scharnierteile befestigt werden können.

(4) Merkmal 4

Merkmal 4 nebst seiner Untermerkmale ist verwirklicht. Das Scharnierteil der Verletzungsform umfasst ein Kopfteil (4.1), ein Rumpfteil (4.2) und ein Halteteil (4.3).

Diese Merkmale sind in der nachfolgenden Abbildung der Verletzungsform an einem der beiden Scharnierteile farbig kenntlich gemacht. Abbildung 7: Scharniers DHLZC-1564, Seite D-44 des Produktkatalogs, Anlage ASt 6 mit farbigen Markierungen durch die Unterzeichner

(5) Merkmal 5

Das Kopfteil des Scharnierteils überdeckt zudem den Rand des Durchbruchs der dünnen Wand auf der einen (äußern) Seite.

Abbildung 8: Zeichnung des eingesetzten Scharniers DHLZC-1564, Seite D-44 des Produktkatalogs, Anlage ASt 6.

Der Rand des Durchbruchs ist bei den befestigten Scharnierteilen nicht mehr sichtbar sondern durch die jeweiligen Kopfteile verdeckt Zudem hat das Kopfteil größere Ausmaße als der Durchbruch. Dies ergibt sich aus den technischen Zeichnungen mit Maßangaben auf Seite D-44 des Katalogs, der auf dem Messestand der Antragstellerin erhältlich ist, Anlage ASt 6. Dort ist das „Cut Out" also der Durchbruch mit 10 mm Breite und 30 mm Höhe angegeben.

Abbildung 9: Technische Zeichnung des Durchbruchs („Cut Out") zum Scharnier DHLZC-15 Seite D-44 des Produktkatalogs, Anlage ASt 6.

Das Kopfteil ist aber 14 mm breit und 32 mm hoch, wie sich aus den nachfolgenden Abbildungen ergibt:

Breite des Kopfteils - Abbildung 10: Technische Zeichnung des eingesetzten Scharniers DHLZC-1564 (Draufsicht) Seite D-44 des Produktkatalogs, Anlage ASt 6, farbige Hervorhebung durch die Unterzeichner Höhe des Kopfteils:

Somit ist das Kopfteil 4 mm breiter und 2 mm höher als der Durchbruch. Aufgrund der große Ausmaße verdeckt das Kopfteil den Rand des Durchbruchs, wenn das Scharnierteil in der Tür befestigt wird, indem das Rumpfteil durch den Durchbruch geschoben wird.

(6) Merkmal 6

Das Rumpfteil geht vom Kopfteil aus (Merkmal 6.1) und ist durch den Durchbruch in der dünnen Wand hindurch schiebbar (Merkmal 6.2). Dies zeigt sich insbesondere in dem zugehörigen Video der Antragsgegnerin (http//www v… Video 1564 der Anlage ASt 8).

Die Verwirklichung dieser Merkmale ergibt sich aber auch aus dem am Messestand der Antragsgegnerin erhältlichen Katalog (Seite D-44 der Anlage ASt 6).

Dort ist das Rumpfteil mit folgendem Hinweis versehen:

„Press against Cutout to fit"

Auf Deutsch also

„Zum Einfügen gegen den Durchbruch drücken"

Abbildung 13: Technische Zeichnung des Scharniers DHLZC-1564 (Seitenansicht), Seite D-44 des Produktkatalogs, Anlage ASt 6, farbige Hervorhebungen durch die Unterzeichner Das Rumpfteil der Verletzungsform soll folglich durch den Durchbruch geschoben werden.

(7) Merkmal 7

Merkmal 7 nebst Untermerkmalen beschreibt die Ausgestaltung des Halteteils. Auch diese Merkmale werden durch die Verletzungsform verwirklicht. Das Halteteil ist in der nachfolgenden Skizze der Antragsgegnerin eingezeichnet und von den Unterzeichnern farbig (rot) hervorgehoben:

Die patentgemäße Ausgestaltung des Halteteils der Verletzungsform zeigt sich an einem Vergleich mit einem Ausführungsbeispiel des Verfügungspatents für ein Halteteil. Die nachfolgend gegenüber gestellten Halteteile sind lediglich spiegelverkehrt abgebildet:

Merkmal 7.1

Das Halteteil befindet sich innerhalb des Rumpfteils, wird also gemäß Merkmal 7.1 von diesem getragen.

Merkmal 7.2

Wird das Rumpfteil durch den Durchbruch geschoben, berührt das Halteteil die Wand an der äußeren Seite und stützt sich daher an dieser gemäß Merkmal 7.2 ab. Diese Abstützwirkung zeigt sich anhand des Ausführungsbeispiels in Figur 3A des Verfügungspatents (siehe Abbildung 14 dieser Antragsschrift), wo das Halteteil an der Wand (grün markiert) anliegt. Diese Ausgestaltung stimmt bei der Verletzungsform (siehe Abbildung 15) überein.

Merkmal 7.3

Das Halteteil ist auch vom Rumpfteil getrennt (Merkmal 7.3). Das Verfügungspatent definiert dieses Merkmal wie folgt negativ. Rumpfteil und Halteteil sind danach zwei getrennte Teile wenn sie nicht einteilig aus Kunststoff gespritzt sind, sondern verschiedene Materialien wie beispielsweise Kunststoff und Metall kombiniert werden (Ziffer 0011 des Verfügungspatents Anlage ASt 1). '

Bei der Verletzungsform sind Rumpfteil und Halteteil nicht einteilig gespritzt, sondern sind zwei ursprünglich einzelne Teile aus unterschiedlichen Materialien (das Rumpfteil aus Kunststoff und das Halteteil aus Metall), die kombiniert wurden. Merkmal 7.3 ist daher ebenfalls verwirklicht.

Merkmal 7.4

Das Halteteil wird von zwei Haltelementen (rot markiert in Abbildung 14 dieser Antragsschrift) gebildet (Merkmal 7.4).

Merkmal 7.5

Die Halteelemente springen vom Rumpfteil in Richtung seiner Außenfläche vor und sind nachgiebig.

Die äußeren dreieckigen Abschlüsse der Halteelemente sind außerhalb des Rumpfteils sichtbar. Vom Inneren des Rumpfteils beginnend, springen sie also in Richtung der Außenfläche des Rumpfteils vor, sie bilden einen Vorsprung.

Die Halteelemente sind auch nachgiebig. Im Verfügungspatent wird die Nachgiebigkeit beispielsweise durch Federn erreicht, auf die die Halteelemente aufgebracht sind. Diese Federn (Bezugszeichen 42-1 und 42-2) sind in der obigen Abbildung 14 von Figur 3A des Verfügungspatents blau markiert. Auch die Verletzungsform verfügt über eine Feder innerhalb der Halteelemente. Diese Feder ist in der obigen Skizze der Verletzungsform (Abbildung 15) ebenfalls blau eingezeichnet. Aufgrund dieser Federverbindung sind die Halteelemente der Verletzungsform nachgiebig.

Die Nachgiebigkeit zeigt sich auch im zugehörigen Video der Antragsgegnerin (http//www.v….Video 1564 der Anlage ASt 8).

Wären die Halteelemente der Verletzungsform nicht nachgiebig, könnte das Rumpfteil nicht durch den Durchbruch hindurch geschoben werden. Merkmal 7.5 ist daher ebenfalls verwirklicht.

Merkmal 7.6

Merkmal 7.6 verlangt, dass das freie Ende der Halteelemente eine Schrägfläche zur spielfreien Abstützung des Rumpfteils auf dem Rand oder der Kante des Durchbruchs aufweist Mit dem Begriff „spielfreie Abstützung" beschreibt das Verfügungspatent den Vorteil der patentgemäßen Erfindung, dass solche Scharniere nicht nur für bestimmte Wandstärken geeignet sind (Ziffer 0003 des Verfügungspatents, Anlage ASt 1). Aufgrund der Schrägfläche passt sich das Halteelement an verschiedene Wandstärken an. Bei dünneren Wandstärken springt das Halteelement, bis es die Wand berührt, weiter vor als bei dickeren Wandstärken. So wird vermieden, dass bei dünneren Wandstärken ein Spielraum zwischen Halteelement und Wandfläche verbleibt und ein Abstützen des Rumpfteils nicht mehr möglich ist.

Dieses Merkmal ist bei der Verletzungsform verwirklicht. Das freie Ende der Halteelemente ist dreieckig und weist daher zwei Schrägflächen auf. Die kürzere dieser Schrägflächen ist zum Rand bzw. der Kante des Durchbruchs in der Wand gerichtet. Aufgrund der Schrägfläche wird ein spielfreies Abstützen des Rumpfteils gewährleistet Diese Funktion der Schrägfläche ergibt sich auch aus der nachfolgenden Zeichnung der Antragsgegnerin:

Abbildung 16: Technische Zeichnung des Scharniers DHLZC-1564 (Seitenansicht), Seite D-44 des Produktkatalogs, Anlage ASt 6, farbige Hervorhebungen durch die Unterzeichner. In dieser Zeichnung ist die Schrägfläche mit folgender Funktion bezeichnet:

„To Fit 1.8 to 2.2mm Sheet thk."

„Thk" ist die Abkürzung für „Thickness" also „Dicke".

In der deutschen Übersetzung heißt diese Beschriftung somit:

„Zur Anpassung an 1,8 bis 2,2mm Blechstärke".

Aufgrund der Schrägfläche kommt es bei verschiedenen Blechstärken zu einer spielfreien Abstützung des Rumpfteils im Sinne des Merkmals 7.6.

Die Kammer hält diese Darlegung der wortsinngemäßen Verletzung nach eigener Prüfung für völlig zutreffend. Sie lässt sich anhand der vorgelegten Fotografien, Zeichnungen, Kataloge und in den in Bezug genommenen Videos im Einzelnen nachvollziehen. Die Verletzungsfrage bedarf hier aber keiner Vertiefung. Die Verfügungsbeklagte hat ursprünglich die Verletzung pauschal und damit unwirksam bestritten. In der mündlichen Verhandlung hat sie dieses Bestreiten aber nicht aufrechterhalten und so die Verletzungshandlung unstreitig gestellt.

4. Die Verfügungsbeklagte hat die angegriffenen Verletzungsformen im Sinne des § 9 PatG auf der X. Messe 2011 angeboten.

§ 9 PatG untersagt es ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.

Schon der Wortlaut des Gesetzes zeigt, dass es um einen möglichst vollständigen Schutz des Patentinhabers geht. Es wird nicht nur das in den Verkehr bringen untersagt, sondern auch die bereits im Vorfeld liegenden Handlungen des Herstellens und des Anbieten. Für das Anbieten ist kein rechtlich bindendes Vertragsangebot im Sinne des bürgerlichen Rechts erforderlich, es genügt jede Handlung die als Aufforderung zur Abgabe von Angeboten (invitatio ad offerendum) verstanden werden muss.

Der in § 9 PatG verwendete Begriff des „Anbietens ist ganz in wirtschaftlichem Sinne zu verstehen und fällt nicht mit dem juristischen Begriff eines Vertragsangebots zusammen. Dies folgt aus dem Zweck des § 9 PatG, dem Patentinhaber einerseits - sieht man von den im Gesetz geregelten Ausnahmefällen ab - alle wirtschaftlichen Vorteile zu sichern, die sich aus der Benutzung der patentierten Erfindung ergeben können, und ihm andererseits einen effektiven Rechtsschutz zu gewähren. Deshalb unterfällt dem Tatbestand des Anbietens nicht nur ein Angebot i. S. des § 145 BGB. Umfasst sind vielmehr auch vorbereitende Handlungen, die das Zustandekommen eines späteren Geschäfts über einen unter dem Schutz des Patents stehenden Gegenstand ermöglichen oder befördern sollen. Ein Mittel hierzu ist auch das bloße Verteilen eines Werbeprospekts. Bereits diese Maßnahme ist bestimmt und geeignet, Interesse an dem beworbenen Gegenstand zu wecken und diesen betreffende Geschäftsabschlüsse zu ermöglichen. Auch dieses Verhalten muss deshalb dem Patentinhaber vorbehalten sein, wenn das Werbemittel der Förderung des Absatzes eines Erzeugnisses dient, das - wie es in § 9 Abs. 1 Nr. 1 PatG heißt - Gegenstand des Patents ist, also von der hiermit unter Schutz gestellten Lehre Gebrauch macht (so BGH GRUR 2003, 1031, (1032) - Kupplung für optische Geräte, so auch Mes, PatG, 2. A. § 9, Rn. 30; Kraßer, Patentrecht, 6. A. § 33, II, d)).

Gerade das Aushändigen eines Katalogs an Messebesucher ist bestimmt und geeignet, Interesse an dem beworbenen Gegenstand zu wecken und diesen betreffende Geschäftsabschlüsse zu ermöglichen. Damit handelt es sich um ein Anbieten (Landgericht Düsseldorf 4a O 333/06 Urteil v. 21.11.2007 zit. n. juris zur Autotechnica).

Die Beklagte weist in dem auf der Messe ausgegebenen Katalog ausdrücklich daraufhin, dass sie in verschiedene europäische Länder exportiere. Nach der eidesstattlichen Versicherung der Frau Dr. ... (Anlage K 13) lag der Katalog auf dem Messestand aus. Ihr wurden die Scharniere gezeigt. Auf Nachfrage wurde ihr von Herrn ... von der Beklagten mitgeteilt, dass sie sich für eine Bestellung an die angegebene E-Mail-Adresse wenden könne.

Es kann offen bleiben, ob diese Ausführungen für jede Art von Messe anwendbar sind. Es mag anderes gelten für die Ausstellung erfindungsgemäßer Erzeugnisse, die nur der Information der Öffentlichkeit über den Entwicklungsstand von Wissenschaft und Technik dient (vgl. BGH GRUR 1970, 358, 360 - Heißläuferdetektor zu der 1965 veranstalteten „Ersten Weltausstellung des Verkehrs") Dabei handelt es sich aber um eine Ausnahme.

In der Entscheidung „Kunststoffbügel" (GRUR 2006, 927) lässt der BGH bereits deutlich Distanz zu der früheren Entscheidung erkennen und erklärt:

„Dort hat der Senat ausgeführt, die Ausstellung patentgeschützter Gegenstände auf einer Leistungsschau, die einen Überblick über den Stand der Technik auf einem bestimmten Gebiet gebe und nicht den Charakter einer Verkaufsausstellung habe, reiche nicht schlechthin für die Annahme einer schutzrechtsverletzenden Benutzung aus. Abgesehen davon, dass die Verneinung einer Benutzung danach nur auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls möglich ist ..."

Die X. Messe zählt jedenfalls nicht zu einer Leistungsschau in diesem Sinne. Die Kammer ist als die zuständige Patentstreitkammer seit Jahrzehnten mit der X. Messe befasst und daher mit dem Charakter dieser Messe vertraut. Es handelt sich nicht um eine Leistungsschau dergestalt, dass lediglich über den Stand der Entwicklung informiert werden soll. Die X. Messe dient vielmehr der direkten Gewinnung von Kunden durch Abschlüsse auf der Messe selbst, oder im Anschluss. Der kommerzielle Charakter steht einer Einordnung als Leistungsschau i. S. d. Entscheidung „Heißläuferdetektor" entgegen (vgl. OLG Düsseldorf, v. 29.06.2000 - 2 U 76799, Rz. 65 ff. - zit. n. juris.).

Es ist für eine Verkaufsmesse auch nicht erforderlich, dass wie beispielsweise auf der Infa („Hausfrauenmesse"), Produkte gleich mitgenommen werden können. Es ist auch nicht erforderlich, dass auf der Messe konkret über Preise und Lieferkonditionen gesprochen wird. Es genügt die Absicht der Geschäftsanbahnung um zu späteren Abschlüssen zu kommen. Ein engeres Verständnis würde Umgehungsmöglichkeiten schaffen, die mit den Zweck des umfassenden Schutzes des Patentinhabers nicht zu vereinbaren wären. Gerade bei den für technische Erfindungen besonders wichtigen Messen könnte sich der Verletzer darauf zurückziehen, dass er wegen der Verhandlungen um Kontaktaufnahme nach der Messe ersucht. Dieser Charakter der X. Messe wird auch durch die Bewertung der Messe AG belegt (http://www.x...de):

Fachpublikum und Aussteller sind sich einig: die X. MESSE 2011 war ein voller Erfolg!

- Besucherzuwachs: 228.476 Besucher aus 90 Ländern

- Hohe Internationalität: rund 50.300 Besucher aus dem Ausland

- Einmalige Entscheiderdichte: 67%

- 93% Fachbesucheranteil

- 5,7 Mio. Geschäftskontakte in 5 Tagen

- Beteiligung von rund 6.500 Unternehmen aus 65 Ländern

Ein überzeugender Beweis dafür, welche Bedeutung die X. Messe für die Erschließung neuer Märkte, den Aufbau von Kundenkontakten sowie wichtige Geschäftsabschlüssen auch für Ihr Unternehmen haben kann.

Auch in der Werbung für die X. Messe (Anlage K 12, S. 3) wird ausdrücklich betont, dass die Messe dem Generieren von neuen Kunden dient. Es werden von dem Messeveranstalten besondere Leistungen für die „Top-Einkäufer" vorgehalten (Anlage K14).

Angesichts der konkreten Umstände des hier zu entscheidenden Falles kann daher offen bleiben, ob der zum Markenrecht ergangenen Entscheidung des I. ZS (GRUR 2010, 1103 - Pralinenform II) überhaupt und insbesondere für das Patentrecht zu folgen ist (so aber LG Mannheim GRUR-RR 2011,83 - Sauggreifer). In dem Fall war es jedenfalls so, dass die Klagemarke die dreidimensionale unverpackte Schokoladenkugel war. Der auf der Messe ausgestellte Verletzungsgegenstand wurde aber nur in der undurchsichtigen Folienverpackung präsentiert. Die unverpackte Form ergab sich aus einem Internetauftritt in türkischer Sprache (vgl. OLG Köln 6 U 83/04, Urteil vom 10.12.2004; BGH a. a. O.). Der BGH hat auch lediglich ausreichende Feststellungen vermisst und die Sache zu weiterer Aufklärung zurückverwiesen.

5. Die Wiederholungsgefahr wird vermutet. Sie ist auch nicht durch die Beendigung der Messe entfallen. Wie im Rahmen der Vergleichsgespräche deutlich geworden ist, besteht jedenfalls die Möglichkeit weiterer Messebesuche der Beklagten.

6. Es bestehen keine Zweifel an der Rechtsbeständigkeit des Patents, die dem Erlass einer einstweiligen Verfügung entgegenstehen würden.

Der Rechtsbestand des Verfügungspatents muss ausreichend gesichert sein. Im Ergebnis bedeutet dies, dass es keine ernsten Zweifel am Rechtsbestand gibt und ein Hauptsacheverfahren nicht ausgesetzt werden würde. (Mes PatG 2. A. § 139, Rn. 247).

Ausgangspunkt dieser Überlegung ist der Umstand, dass es sich bei einem Patent um ein geprüftes Schutzrecht handelt. Die Erteilung durch die zuständigen Behörden ist von dem Verletzungsgericht zu respektieren. Würde bereits jede nicht offensichtlich von der Hand zu weisende Einwendung gegen das Schutzrecht dem Erlass einer einstweiligen Verfügung entgegenstehen, wäre die Durchsetzung von Schutzrechten stark erschwert und ihre wirtschaftliche Bedeutung entwertet. In vielen innovativen Bereichen sind Patente nur für einen vergleichsweise kurzen Zeitraum technisch relevant. Gerade in diesem Zeitraum müssen sie Schutz entfalten. Auch Art. 50 Abs. 1 des Abkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) regelt, dass die Gerichte befugt sind, schnelle und wirksame einstweilige Maßnahmen anzuordnen um die Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums zu verhindern. Die sog. Enforcement-Richtlinie (2004/48/EG) sieht ebenfalls eine schnelle und effektive Rechtsdurchsetzung vor. Dies hat u. a. zu der Regelung des § 140b Abs. 3 PatG geführt, die ausdrücklich eine Durchsetzung der Rechte des Patentinhabers durch einstweilige Verfügung vorsieht.

Vor diesem Hintergrund dürfen die Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Rechtsbestandes des Verfügungspatentes nicht überspannt werden. Es kann nicht verlangt werden, dass das Patent bereits ein Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren erfolgreich überstanden hat. Dies würde das ja bereits geprüfte Patent für einen längeren Zeitraum entscheidend schwächen. Ein potentieller Verletzter brauchte zunächst keinen Einspruch erheben bzw. kein Nichtigkeitsverfahren anzustrengen, da er sich im einstweiligen Verfügungsverfahren damit verteidigen könnte, dass es an einem durch ein kontradiktorischen Verfahren gesichertem Rechtsbestand fehle. Er könnte das Hauptsacheverfahren abwarten, Nichtigkeitsklage erheben und dann die Aussetzung verlangen. Soweit das Patent angegriffen ist, muss das Verletzungsgericht aber mit den Argumenten auseinandersetzen und prüfen, ob ernstzunehmende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Verfügungspatent keinen Bestand haben wird (vgl. OLG Düsseldorf 1-2 U 126/09 v. 29.04.2010 - Harnkatherset).

Im vorliegenden Fall ist es so, dass nach der unbestrittenen Darstellung des Klägers weltweit bereits mehrere Patente mit einem inhaltlich gleichwertigen Patentanspruch erteilt sind (Indien, Süd-Korea, Mexiko, Russland, Australien). Es haben damit mehrere unabhängige Prüfungen des Patents stattgefunden.

Gegen das Verfügungspatent ist - auch mehr als drei Jahre nach der Veröffentlichung – kein Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren anhängig. Nach der unbestrittenen Darstellung des Klägers gilt dies weltweit für die inhaltlich gleichlautenden Patente. Auch die Beklagte hat bisher keine konkreten Absichten für ein Nichtigkeitsverfahren dargelegt. Dabei lagen zwischen der Zustellung des Antrages mit der Ladung und der mündlichen Verhandlung mehr als 4 Wochen.

Es ist auch kein neuheitsschädlicher Stand der Technik (Art. 54 EPÜ) vorgetragen. Die Beklagte beruft sich auf fehlende erfinderische Tätigkeit (Art. 56 EPÜ). Es sei dem Fachmann möglich, durch eine naheliegende Kombination von prioritätsälteren Druckschriften (insbesondere D 1 = US 6,286,185 = AG 8 und D2 = US 3,426,817 = AG 9) zum Gegenstand des erteilten Patentanspruchs zu gelangen.

Nach Auffassung der Kammer kann bereits deshalb nicht aus einer Kombination dieser Druckschriften auf ein Naheliegen geschlossen werden, weil wesentliche Aufgaben der Erfindung so nicht verwirklicht werden können. Bei der Aufgabenstellung ist die gefundene Lösung daher angesichts des Standes der Technik nicht naheliegend (vgl. zum Aufgabe- und Lösungsansatz Schulte, PatG, 8. A. § 4, Rn. 26 ff.; Singer/Stauder, EPÜ, 5. A., Art. 56, Rn. 38

Die Erfindung hat nach der Patentschrift u. a. die Aufgabe eine einfache Montage an einem Durchbruch einer dünnen (Blech) Wand zu ermöglichen. Statt einer durch das Patent verwirklichten „Klick-Befestigung" sieht die Kombination D1/D2 eine Befestigung mit Schraube und Mutter vor. Eine schnelle und Werkzeug lose Montage ist so nicht möglich.

Eine weitere Aufgabe der Erfindung ist die Vermeidung loser Teile. Bei der Kombination sind Schraube und Mutter lose. Dies erfordert zusätzliche Arbeitsschritte und die losen Teile können verloren gehen.

Nach dem Patent soll die Scharnierbefestigung bei geschlossenem Schrank unzugänglich sein. Damit wird ein Entfernen der Scharniere und damit eine Öffnen des Schrankes durch Unbefugte vermieden. Bei der Kombination ist das Herausdrehen der Schraube auch bei geschlossenem Schrank möglich.

7. Die Ordnungsmittelandrohung hat ihre Grundlage in § 890 ZPO.

8. Der Auskunftsanspruch folgt aus § 140 b PatG. Er ist nicht bereits durch Erfüllung untergegangen. Die Verfügungsbeklagte hat durch schriftsätzliche Erklärung in der Antragserwiderung, sowie ergänzende Klarstellung in der mündlichen Verhandlung Auskünfte im Sinne der vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen abgegeben. Es kann offen bleiben, ob dies eine ordnungsgemäße Auskunft im Sinne des § 140 b PatG ist. Diese Auskunft ist jedenfalls nicht vollständig, da sie sich auf die X. Messe 2011 bezieht und der Auskunftszeitraum größer ist.

9. Der Arrestantrag war aus mehreren Gründen zurückzuweisen. Zum einen fehlt es jetzt zumindest am Rechtsschutzbedürfnis. Nach Beendigung der X. Messe sind keine Vermögensgegenstände der Verfügungsbeklagten vorhanden, in die der Arrest vollstreckt werden könnte. Es fehlt aber auch an der Voraussetzung des § 917 Abs. 2 ZPO. Im Verhältnis zu Indien ist die Gegenseitigkeit im Ergebnis verbürgt (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl., Anhang § 328 Rdnr. 8; Zöller, ZPO, 28. Aufl., Anhang V „Indien").

Trotz Hinweises des Gerichts hat der Verfügungskläger nicht die insoweit gebotene Erledigungserklärung abgegeben.

10. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Hinsichtlich der übereinstimmenden Teilerledigterklärung war unter Anwendung der Grundsätze des § 91 ZPO zu berücksichtigen, dass der Sicherstellungsanspruch ursprünglich zur Sicherung des Vernichtungsanspruchs gemäß § 140 a PatG begründet war.

11. Soweit die einstweilige Verfügung erlassen worden ist, ist sie ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Soweit der Antrag zurückgewiesen wurde, gilt §§ 708 Nr. 6, § 711 ZPO.

12. Der Streitwert war gem. § 53 GKG festzusetzen.