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AUFBAU EINER PATENTANMELDUNG

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IM FOKUS

Dieser Beitrag wirft einen Blick auf den speziellen Aufbau einer Patentanmeldung. Diese vielleicht etwas trockene Materie ist von einiger praktischer Bedeutung. Denn wer den speziellen Aufbau einer Patentanmeldung verinnerlicht hat, dem fällt es leichter, den Inhalt der Patentanmeldung zu verstehen und den Schutzbereich und die Qualität der betreffenden Patentanmeldung zu beurteilen. Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick, was zum Thema "Aufbau der Patentanmeldung" wissenswert ist.

DAS HERZSTÜCK SIND DIE PATENTANSPRÜCHE....

Der Hauptanspruch ist von zentraler Bedeutung

Wenn man über den Aufbau der Patentanmeldung spricht, dann kommt man an einem Gesichtspunkt nicht vorbei: Der Hauptanspruch gibt vor, ob die Patentanmeldung gegen den Einwand fehlender Patentfähigkeit immun ist und wie groß der maximal zu erwartende Schutzbereich einer Patentanmeldung ist. Er entscheidet also, ob ein Konkurrenzprodukt noch abgedeckt ist oder schon nicht mehr verboten werden kann.

Bei der Formulierung des Hauptanspruchs der Patentanmeldung lauern daher die größten Fehlerquellen.

Um einen guten Hauptanspruch zu formulieren und damit die Grundvoraussetzung für einen erfolgversprechenden Aufbau der Patentanmeldung zu meistern, muss man Erfahrung haben, wie das sogenannte Design-Around abläuft, also die "Kunst" der Patent-Umgehung: Ein Patentanwalt und versierte Konstrukteure führen notfalls ein stundenlanges "Brainstorming" durch, mit dem Ziel, Schwachstellen aufzufinden.

Praxistipp: Beim Design-Around wird mit viel Kreativität überlegt, ob man aus dem zu umgehenden Hauptanspruch nicht doch irgendwie herauslesen kann, dass die patentgeschützte Lösung zwingend ein Merkmal verlangt,

  • auf das sich bei der Umgehungslösung ohne funktionale Abstriche komplett verzichten lässt
  • oder das sich durch ein nur ähnliches Merkmal substituieren lässt (die bekannte "Schraube-ersetzt-Nagel-Diskussion", nur auf technisch viel höherem Niveau).

Für einen guten Aufbau der Patentanmeldung und zur Formulierung eines guten Hauptanspruchs muss der Verfasser der Patentanmeldung genau dieses Design-Around möglichst lückenlos durchspielen und zwar schon vor der Einreichung der Patentanmeldung beim Patentamt.

Die Herausforderung besteht dabei darin, trotz allem Bemühen den Hauptanspruch möglichst weit zu formulieren und so viele technische Merkmale in den Hauptanspruch einzubauen, dass die von dem Hauptanspruch beschriebene Lösung gegenüber dem bekannten oder zu erwartenden Stand der Technik gerade noch neu und erfinderisch ist.

Das grundlegende Prinzip ist hier nicht anders als bei der jedem Konstrukteur bekannten Bauteildimensionierung: Ein Patentanspruch, der "mehr neu und erfinderisch" ist als nötig, ist überdimensioniert und daher zu teuer: Überdimensionierung "kostet" Schutzbereich, ist also leichter umgehbar. Weitere Infos zu diesem Themenkomplex finden Sie in meinem Leitfaden zur Patentanmeldung.

Die Unteransprüche bilden Rückfallpositionen

Bei der Erörterung des Themas "Aufbau einer Patentanmeldung" kommt man nicht an der Frage nach dem Sinn der Unteransprüche vorbei.  

Die sich an den Hauptanspruch anschließenden Unteransprüche haben zunächst keine eigenständige Bedeutung, sind aber wichtige Hilfsmittel:

  • Unteransprüche haben in erster Linie die Funktion, Rückfallpositionen zu bilden. Durch Fusion eines oder mehrerer Unteransprüche mit dem ursprünglichen Hauptanspruch kann man einen neuen Hauptanspruch bilden, der gegenüber dem inzwischen aufgedeckten Stand der Technik dann doch neu und erfinderisch ist.  
  • Unteransprüche sind ein wichtiges Auslegungshilfsmittel.
    Verlangt der Hauptanspruch ein Befestigungsmittel zur Befestigung von A an B und enthält der Unteranspruch die Aussage "dadurch gekennzeichnet, dass das Befestigungsmittel eine Schweißnaht ist", dann ist klar, dass ein Produkt, bei dem A an B angeschweißt ist, den Anspruch 1 verletzt - auch wenn das konkrete Ausführungsbeispiel der Patentanmeldung nur ein Befestigungsmittel in Gestalt einer Schraube beschreibt und man spontan nicht an Schweißen denkt.

Das zeigt, dass auch die Unteransprüche möglichst gut durchdacht formuliert werden sollten, auch wenn sie am Anfang, zum Zeitpunkt der Einreichung der Patentanmeldung, erst einmal nur eine untergeordnete Rolle spielen.

DIE BESCHREIBUNG IST DIE GEBRAUCHSANWEISUNG...

Gebrauchsanweisung zur Auslegung separat: Technisches Reservoir

 

Die Beschreibung einer Patentanmeldung dient nicht einfach nur dazu, die beanspruchte Erfindung verständlich zu machen.

Stattdessen ist die Beschreibung die Gebrauchsanweisung dafür, wie die Patentansprüche zu verstehen sind - was schlagwortartig gerne mit dem Satz "eine Patentanmeldung ist ihr eigenes Lexikon" bezeichnet wird. Damit kommt der Beschreibung eine wichtige Funktion zu.

Aufgrund dessen muss eine qualitativ gute Beschreibung einige wichtige Kriterien erfüllen:

 

  • Die Beschreibung muss möglichst gut verständlich formuliert sein.

Praxistipp: Über das Ja oder Nein einer Patentverletzung urteilen Richter, die reine Juristen sind, keine Techniker. Diese müssen das Patent später problemlos verstehen, wenn es sich nicht gerade um von Haus aus schwer zugängliche "High-Tech" handelt.

  • Die Beschreibung muss alle Anspruchsmerkmale definieren, deren Reichweite nicht zu 100% klar ist

Praxistipp: Idealerweise sind "gestaffelte" Definitionen zu verwenden. Bei einem Fahrradpatent könnte das die Definition sein, dass als Fahrrad im Sinne der Erfindung alle durch Treten eines Kettenantriebs bewegten Fahrzeuge zu verstehen sind, zumindest aber derart angetriebene Zweiräder. Dann sind auch Fahrrad-Rikschas oder bayerische Bierbikes umfasst. Wer diese Definition konsequent durchdenkt, stellt fest, dass hierunter auch "Pedalecs" fallen. Man kann dann vor Einreichung der Patentanmeldung entscheiden, ob das so gewünscht ist oder nicht. Trotzdem wirft diese simple Definition auch eine Frage auf, die man im Blick haben und ggf. bewältigen muss: Was ist mit modernen riemengetriebenen Fahrrädern?

DIE BESCHREIBUNG IST GUT VERSTÄNDLICH

Ein auch vom Laien leicht zu überprüfendes Qualitätskriterium ist die Verständlichkeit der Patentanmeldung.

Die Tatsache, dass die Patentansprüche "schwere Kost" sind, die man nicht sofort versteht, liegt in der Natur der Sache und muss akzeptiert werden.

Die eine oder andere Patentanmeldung "beeindruckt" aber darüber hinaus durch eine umständliche Beschreibung. Man weiß auch nach geraumer Lesezeit noch nicht, worin eigentlich der Kern der Erfindung liegt. Hier hält sich relativ hartnäckig das Vorurteil, dass ein gutes Patent möglichst unverbindlich bleibt. Es sei wichtig, dem Gegner im Falle einer Patentverletzung nicht den Einwand zu eröffnen, es komme dem Patent auf das Vorhandensein seines bestimmten technischen Merkmals an, von dem er aber gar keinen Gebrauch mache.

Diesem Vorteil ist entgegenzutreten.

Anders als die Patentansprüche sollte die Beschreibung einer Patentanmeldung zwar detailreich, dabei aber möglichst gut verständlich sein. Ein Patent, bei dem es nicht um hochkomplexe "High-Tech" oder schwierige chemische Fragestellungen geht, ist idealerweise so abgefasst, dass ein mit der Patentschrift befasster Richter auch dann, wenn er das Patent am Ende eines Arbeitstages erstmals liest, auf Anhieb versteht, worum es geht. Die Tatsache, dass hierfür ein gewisser zusätzlicher Zeitaufwand erforderlich ist, leuchtet ohne Weiteres ein.

DIE ANMELDUNG IST MÖGLICHST DETAILREICH

Das Kriterium eines "gesunden" Detailreichtums ist vom Laien schon deutlich schwieriger zu überprüfen. Es sollte aber nachdenklich machen, wenn die Beschreibung der Patentanmeldung über weite Strecken einen langweiligen Eindruck macht und sich fast nur in Selbstverständlichkeiten erschöpft.  

Grundsätzlich gilt, dass die Beschreibung einer Patentanmeldung so detailreich wie möglich sein sollte. Nicht selten spielen am Ende konstruktive Details eine Rolle, die für sich allein gesehen zwar bekannt sind und daher vom Verfasser zunächst für belanglos gehalten werden, aber in Kombination mit der eigentlichen Erfindung dann doch einen Beitrag zur Patenterteilung leisten - indem sich für die Kombination gegenüber dem Patentprüfer doch gerade noch die für die Patenterteilung notwendige Erfindungshöhe geltend machen lässt. Dabei sollte allerdings immer wieder deutlich zum Ausdruck kommen, dass die geschilderten Details momentan, zum Zeitpunkt der Einreichung der Patentanmeldung, nur ein "nice to have" sind. Ein "nice to have", das für die Verwirklichung des Patentanspruchs 1 nicht zwingend erforderlich ist.

Wenn man diese Vorgabe richtig einhält und das Patent uneingeschränkt erteilt bekommt, dann versperrt man dem späteren Patentverletzer den Einwand, der Patentanspruch 1 sei nur dann verletzt, wenn ein weiteres Merkmal erfüllt sei - das er natürlich nicht erfüllt. Andererseits eröffnet man sich die Möglichkeit, den Patentanspruch 1 im Laufe des Prüfungsverfahrens mit Hilfe dieser Details einzuschränken und dadurch recht ähnlichen Stand der Technik zu umgehen, den der Prüfer zunächst als patenthindernd entgegenhält. Zu diesem Zweck nimmt man das jeweilige technische Detail, das bisher nur optional beschrieben worden ist, in den Wortlaut des Anspruchs 1 auf und erklärt es dadurch nachträglich für zwingend erforderlich.

An dieser Stelle ist auf einen weit verbreiteten Irrtum hinzuweisen. Mancher Verfasser einer Patentanmeldung meint, dass man sich dadurch möglichst viele Optionen offenhält, dass man alle denkbaren Lösungsalternativen gleichberechtigt aufzählt, etwa gemäß folgendem Anschauungsbeispiel:

Ungeschickt:

Die Erfindung erfordert, dass das Bauteil A am Rahmen B befestigt ist, insbesondere angeklebt, angeschweißt oder angeschraubt ist bzw. durch eine formschlüssige Rastverbindung gehalten wird.

Eine derartige, undifferenzierte Aufzählung der verschiedenen Befestigungsmöglichkeiten bringt meist nichts. Denn auf die spezielle Befestigungsart kommt es bei dieser Art der Erfindung erst dann an, wenn der Prüfer ein älteres Patent als patenthindernden Stand der Technik entgegenhält, der ein dem Bauteil A vergleichbares Bauteil beschreibt, das ebenfalls an einem Rahmen B befestigt ist. Der Patentanmelder kann sich dann dadurch abzugrenzen versuchen, dass er sich auf die speziellere Lösung einschränkt, dass das Bauteil A nicht an dem Rahmen B angeschraubt ist, sondern durch eine formschlüssige Rastverbindung an dem Rahmen B gehalten wird. Das wird aber oft nur dann Erfolg haben, wenn der Anmelder nicht durch seine undifferenzierte Auflistung aller denkbaren Befestigungsmöglichkeiten zu erkennen gegeben hat, dass eigentlich alle denkbaren Möglichkeiten gleichwertig in Frage kommen, um das Bauteil A am Rahmen B zu befestigen.

Geschickter:

Die Erfindung erfordert, dass das Bauteil A am Rahmen B befestigt ist, insbesondere dort durch eine formschlüssige Rastverbindung gehalten wird, die verhindert, dass der Rahmen durch eine Schraubenbohrung oder eine örtliche Schweißnaht geschwächt wird.