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WHOIS: PATENT UND GEBRAUCHSMUSTER

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IM FOKUS

Die Unterschiede zwischen einem Patent und einem Gebrauchsmuster. Bei der Erfinderberatung stellt sich immer wieder die Frage, wo denn nun eigentlich der Unterschied zwischen einem Patent und einem Gebrauchsmuster liegt und ob es eventuell sogar Sinn ergibt, ein Patent und zusätzlich ein Gebrauchsmuster anzumelden. Der nachfolgende Beitrag veranschaulicht, wodurch sich ein Patent und ein Gebrauchsmuster wirklich unterscheiden, und erläutert, welche strategischen Möglichkeiten sich für denjenigen eröffnen, der geschickt auf der Klaviatur der Unterschiede zwischen dem Patent und Gebrauchsmuster zu spielen weiß.

GEBRAUCHSMUSTER | ERFINDERISCHER SCHRITT

Bei der Erörterung der Frage, worin sich ein Patent und ein Gebrauchsmuster unterscheiden, ist zunächst mit einem gelegentlich bis heute kolportierten Vorurteil aufzuräumen:  Das alte Dogma, dass der erfinderische Schritt, den eine Innovation aufweisen muss, um in den Genuss wirksamen Schutzes durch ein Gebrauchsmuster zu kommen,  qualitativ geringer sein kann als die erfinderische Tätigkeit, die von einem Patent zu verlangen ist, gilt nicht mehr. Diese These gehört seit der Entscheidung BGH  X ZB 27/05 - "Demonstrationsschrank" der Vergangenheit an, gilt aber nach wie vor noch in einigen anderen Ländern z. B. in China. Demzufolge sind Gebrauchsmuster nicht in der Lage, "kleinere" Erfindungen zu schützen, die noch nicht die Schwelle zur Patentfähigkeit überschritten haben.

GEBRAUCHSMUSTER | HAUPTUNTERSCHIED ZUM PATENT

Wie schon eingangs erwähnt, liegt der entscheidende Unterschied des Gebrauchmusters gegenüber dem Patent in der ungeprüften Eintragung des Gebrauchsmusters.  

Für ein Patent wird die Patentfähigkeit vor der Patenterteilung vom Patentamt geprüft; insbesondere wird geprüft, ob die Erfindung neu ist und die nötige Erfindungshöhe besitzt. Das Patentamt recherchiert zu diesem Zweck, welchen Stand der Technik es bereits gibt. Wird Stand der Technik gefunden, der die Patentfähigkeit der zum Patent angemeldeten Erfindung womöglich infrage stellt, kommt es zu einem mehr oder minder aufwändigen Prüfungsverfahren vor dem Patentamt. Das kostet nicht selten einiges an Zeit und Geld.

Im Lichte dessen wird verständlich, warum ein Gebrauchsmuster nicht nur für kleinere Erfindungen so attraktiv ist.

In der Industrie wird zum Beispiel nicht selten in dem Moment zum Mittel der Gebrauchsmusteranmeldung gegriffen, wenn es darum geht, Lösungen zu blockieren, die sich der Konkurrenz als Umgehungsmöglichkeit für die patentierte Lösung anbieten: Es ist oft deutlich besser, alle denkbaren Umgehungslösungen durch drei oder vier parallele Gebrauchsmuster zu blockieren, als die wahrscheinlichste Umgehungslösung „nach allen Regeln der Kunst“ durch ein amtlich geprüftes Patent zu blockieren - dann aber aus Kostengründen andere zum Zwecke der Umgehung gangbare Wege unversperrt zu lassen.

Weitere, vielfach auch taktisch sehr interessant nutzbare Unterschiede zwischen dem Patent und dem Gebrauchsmuster finden Sie in meinem Beitrag "Strategieberatung".

GEBRAUCHSMUSTER | ALLE UNTERSCHIEDE IM ÜBERBLICK

► PATENT ► GEBRAUCHSMUSTER
Weltweiter Schutz möglich Schutz nur in DE und wenigen anderen Ländern
Patenterteilung nach ca. 18 bis 26 Monaten Eintragung nach ca. 4 bis 6 Monaten
Patenterteilung nur, wenn schutzfähig Eintragung ohne Prüfung der Schutzfähigkeit
Für jeden Patentanspruch, der über den 10. Anspruch hinausgeht, sind amtliche Anspruchsgebühren zu zahlen. Auch für mehr als 10 Ansprüche sind keine amtlichen Anspruchsgebühren fällig, selbst wenn 40 Ansprüche eingereicht werden.
Maximale Schutzdauer 20 Jahre Maximale Schutzdauer 10 Jahre
Jahresgebühren jährlich zu entrichten, Betrag höher als beim Gebrauchsmuster Verlängerungsgebühren nach 3, 2 und 2 Jahren zu entrichten, Betrag geringer als beim Patent
Schutz für Produkte, Verfahren und alle Verwendungen Schutz für Produkte u. pharmazeutische Verwendungen
Keine Neuheitsschonfrist Neuheitsschonfrist, d. h. eine Veröffentlichung der Erfindung durch den Berechtigten selbst bleibt außer Betracht, wenn sie nicht länger als 6 Monate her ist.
Weltweit zugänglicher, mündlicher, offenkundig vorbenutzter oder druckschriftlich veröffentlichter Stand der Technik für die Beurteilung der Patentfähigkeit relevant. Weltweit zugänglicher, druckschriftlich veröffentlichter Stand der Technik für die Beurteilung der Patentfähigkeit relevant, mündliche Offenbarungen oder offenkundige Vorbenutzungen der Erfindung sind nur relevant, wenn sie in Deutschland stattgefunden haben.

GEBRAUCHSMUSTER | STRATEGIEBEISPIELE

An die vorstehende Tabelle anknüpfend lassen sich die wichtigsten strategischen Vorteile eines Gebrauchsmuster recht anschaulich erklären.

Einer der großen praktischen Vorteile des Gebrauchsmusters ist die Neuheitsschonfrist, die das Gebrauchsmusterrecht dem Gebrauchsmuster zugesteht.

Fälle, in denen die Erfinder erst nach einer unerwartet erfolgreichen Präsentation des neuen Produkts bei einem potentiellen Abnehmer oder aufgrund des die Erwartungen weit übertreffenden Feedbacks nach einem Messeauftritt merken, dass sich die Investition für eine Schutzrechtsanmeldung lohnt, sind gar nicht so selten.

Sofern mit dem Kunden keine Vertraulichkeitsvereinbarung (NDA) abgeschlossen wurde, ist es dann schon zu spät für eine Patentanmeldung - Gleiches gilt, falls die Erfinder erst einen Tag nach dem erfolgreichen Messeauftritt den Gedanken, ein Schutzrecht zu erwerben, in die Tat umsetzen. In dieser Situation ist eine Gebrauchsmusteranmeldung das Mittel der Wahl. Wegen der sog. Neuheitsschonfrist ist ein Vorzeigen der Erfindung durch den Erfinder unschädlich, sofern es nicht schon mehr als 6 Monate vor der Gebrauchsmusteranmeldung erfolgt ist.

Überaus interessant ist ein deutsches Gebrauchsmuster auch in einem anderen praxisrelevanten Fall: Ein deutsches Unternehmen ist Impulsgeber für eine Entwicklung gemeinsam mit dem fernöstlichen Zulieferanten, der nur für das Tooling zuständig ist. Als sich die Produktentwicklung dem Ende zuneigt und ein Patent angemeldet werden soll, stellt sich heraus, dass einer der fernöstlichen Angestellten mitsamt einem der Muster für das neue Produkt zur Konkurrenz vor Ort "gewechselt" ist. In einer solchen Situation sollte aus Sicherheitsgründen sofort ein deutsches Gebrauchsmuster angemeldet werden, da es (anders als ein Patent) gegen die offenkundige Vorbenutzung, d. h. das Vorzeigen des entwendeten Musters, in jedem Fall "immun" ist - denn für ein deutsches Gebrauchsmuster ist eine Vorveröffentlichung im Ausland nur dann schädlich, wenn sie (auch) druckschriftlich erfolgt ist.

An dieser Stelle zeigt sich zugleich eine der Missbrauchsmöglichkeiten, die das deutsche Gebrauchsmuster eröffnet: Wer im Ausland erstmals auf einer Messe ein neues Produkt präsentiert, ohne zuvor eine Schutzrechtsanmeldung getätigt zu haben und ohne druckschrifliches Material, wie z. B. Kataloge, publiziert zu haben, der läuft Gefahr, dass ein "Schlauberger" ihn durch eine flugs in Deutschland eingereichte Gebrauchsmusteranmeldung blockiert.